zum Gedenken

Günther Reiche // Ich habe es erlebt!

oder

Wie sich mir der Ablauf der Ereignisse darstellte.

Leonberg - Eltingen 2008

Inhaltsverzeichnis

  • Vorbemerkung
  • Die ersten Jahre unter Hitler
  • Stimmung
  • Bedenken
  • Lebensstandard
  • Jugend-Staatsjugend
  • Kabarettisten
  • Begebenheiten
  • Luftwaffe
  • Kristallnacht
  • Der Krieg
  • Im Dienst
  • Smolensk
  • Besondere Maschinen
  • Schatalowka
  • Anni
  • Sonderurlaub
  • Humor
  • Vorwärts Kameraden, wir müssen zurück.
  • Klaubwürdigkeit
  • Hoffnungslos
  • Parteigenosse
  • Das dunkle Kapitel
  • Zweifel
  • Folgen
  • Lieder
  • Klugheit
  • Der Freund meines Vaters
  • Die andere Seite
  • Leistung
  • Kurzschlusshandlung
  • Planwirtschaft der DDR
  • Förderung der Jugend
  • Persönliches
  • Beruf
  • DDR-Demokratie
  • Besuch
  • Lohn
  • Israel
  • Wiedervereinigung
  • Terrorismus
  • Unsere Erde
  • Rentner
  • Echo
  • Schlussbemerkungen
  • Vorbemerkung

    Wer den Titel liest, den ich über meine Aufzeichnungen gesetzt habe, der mit "ich" beginnt, könnte zu der Auffassung gelangen, dass ich ein blütenreiner Egoist bin. Es ist aber anders zu verstehen. Es gibt heute manchen, der sein Unverständnis darüber äußert, dass und wie die Generation der Großväter auf einen Mann wie Hitler hereinfallen konnte. Und diesen Menschen halte ich entgegen: "Ich habe es erlebt!" im Gegensatz zu ihnen. Deshalb habe ich hier aus meiner Sicht etwa in zeitlicher Reihenfolge einige Geschehnisse aneinander gereiht. Ein literarisches Meisterwerk ist das nicht und soll es auch nicht sein. Es ist nur eine lose Faktensammlung und entspringt meinem Bedürfnis, in dieser

    verlogenen Welt der Warheit ein Stück näher zu kommen. Ich beginne mit der Nazi-Zeit; die ja anfangs in den Jahren vor dem Krieg ganz anders aussah, als sich das mancher heute vorstellt. Den Größenwahn Hitlers hatte kaum jemand erkannt, geschweige denn, dass Hitler seinen Größenwahn in einem Krieg austoben wollte. Es stand zwar sinngemäß in seinem Buch "Mein Kampf", aber wer hatte das damals schon gelesen?
    Beim Schreiben ist mir aufgefallen, wie viel interessante Begegnungen und welche besonderen Erlebnisse ich in meinem Leben gehabt habe. Und die habe ich auch noch mit aufgenommen. So ist es ein kleiner persönlicher Lebensbericht, aber keine kritische Betrachtung der Zeit.

    Die ersten Jahre unter Hitler

    Zwar hatte die NSDAP 1933 die Wahl gewonnen, aber ob es den demokratischen Gepflogenheiten entsprach, wie viel Macht sich Hitler danach aneignete, konnte ich zu dieser Zeit nicht beurteilen. Damals litt Deutschland noch unter Auflagen des Versailler Vertrages, es litt unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise und es litt unter ungefähr 4 Millionen Arbeitslosen. Hitler versprach, dass es in vier Jahren in Deutschland keine Arbeitslosen mehr gäbe. Das hat er tatsächlich auch weitgehend eingehalten. Als besonders auffälligen Beispiel fällt mir dazu ein arbeitsloser Maurer aus unseren Orte ein. Er stand von seinem Umfeld her der kommunistischen Partei nahe. Dennoch hat er gesagt: "Wenn

    ich Arbeit bekomme, ist der Hitler mein Mann!" Dieser Maurer bekam nicht nur Arbeit, er hatte auch die Möglichkeit, am Ortsrand ein kleines Grundstück zu erwerben. Das Nachbargrundstück kaufte sich ein Kollege von ihm. Und sie bauten gemeinsam nach einem einfachen Einheitsplan ein Doppelhaus, von dem jeder eine Hälfte bezog. Praktisch stieg der arbeitslose Maurer binnen weniger Jahre auf, wenn man es überspitzt formuliert, zum Haus- und Grundstücksbesitzer. Und ähnlich war der Aufstieg vieler Deutscher. Was sollten sie da gegen Hitler haben? "Mein Kampf" hatten sie nicht gelesen. Heute könnten wir wissen, was da drin stand. Das Buch wird aber nicht angeboten.

    Stimmung

    Dass es aufwärts ging, wurde offensichtlich an dem Bau der Autobahnen. Die waren zwar nicht eine Erfindung von Hitler; denn die Pläne dafür lagen schon vor, aber er hat die Arbeit angepackt! Tatsächlich diente ihm die Autobahn zum schnellen Truppentransport. Sie hatte eine peinliche Nebenwirkung; denn die beiden hellen Streifen erleichterten den alliierten Bombern bei Tag und Nacht die Orientierung bei ihren Flügen über Deutschland.

    Die deutsche Wehrmacht war auf 100.000 Mann begrenzt. Hitler hat sie wieder vergrößert. Im Rheinland durften keine Truppen stationiert sein. Hitler sorgte dafür, dass dort die deutsche Wehrmacht wieder Kasernen bezog. Das Saargebiet war 15 Jahre lang dem Völkerbund unterstellt. Es kam nach einer Abstimmung wieder nach Deutschland. Das war zwar nicht Hitlers Verdienst, aber es förderte die allgemeine Aufbruchsstimmung. Deutschland trat aus dem Völkerbund aus, der von den Nazis nur als eine Art Quasselbude herabgewürdigt wurde. Es kam zur Vereinigung von Deutschland und Österreich. Und all das geschah, ohne dass das Ausland Anstoß daran nahm! Es ging doch nur aufwärts in Deutschland. Wer sollte da etwas gegen Hitler haben? Und das war die Meinung der großen Masse. Freilich gab es auch einige Fanatiker, die gibt es ja in jeder gesellschaftlichen Gruppe, und einer davon ging soweit, dass er seine Tochter Hitlerike nennen wollte, aber da spielte das Standesamt nicht

    mit, man muss sagen zu Gunsten des Mädchens.

    Zu Österreich fällt mir jetzt ein, was mir später bei der Luftwaffe ein österreichischer Abiturient sagte: Wenn sich ein österreichischer Kavalier von einer Dame verabschiedete, pflegte er zu sagen: "Küss die Hand gnä` Frau und a fesches Heil Hitler! für den Herrn Gemahl!"

    1937 oder 1938 wurde die Autobahn Dresden - Chenmitz - Meerane vom "Führer" eröffnet. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, in Dresden hätte es Stunk unter einigen Nazigrößen gegeben, und da musste der Adolf ein Machtwort sprechen. Die Autobahneröffnung war nur willkommene Ablenkung vom Besuch in Dresden. Ich war damals noch in der Ausbildung. Wir Lehrlinge bekamen vom Betrieb frei, um an die Autobahn zu gehen. Ich fuhr mit dem Rad nach Frankenberg an die Stelle, wo die Autobahn den Hang von Hainichen herunterkommt und auf die Brücke über die Zschopau führt. Wir standen etwa zehn Meter von der Fahrspur entfernt. Als der Wagen kam, stand Hitler im Fahrzeug und hatte sich uns zugewandt. Ob er mit erhobener Hand gegrüsst hat, weiß ich nicht mehr. Aber nachdem er vorbei war, hatte jeder von uns den Eindruck, und wir standen ziemlich dicht in Doppelreihe: Mir hat er direkt in die Augen gesehen! Der Mann hatte einen faszinierenden, man könnte auch sagen den stechenden Blick eines Fanatikers. Es war für uns ein einmaliges und eigenartiges Erlebnis.

    Bedenken

    Es gab natürlich auch eine kleinere Schar, die sich Gedanken machte und die Bedenken hatte. Unmittelbar nach der Machtergreifung wurden Konzentrationslager (KL) eingerichtet, in die politische Gegner eingeliefert wurden. Wir hatten in der Nähe das KL Sachsenburg wenige Kilometer nördlich von Frankenberg. Und wir wussten von einem Bürger (überzeugter Kommunist) unseres Ortes, dass er dorthin gebracht worden war. Aber dieses KL bestand nicht lange, vielleicht zwei Jahre, dann wurde es aufgelöst und dieser Bürger kehrte zurück. Und wo kein KL ist, kann man auch keines wahrnehmen. Dennoch hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass es noch KL gab. Dafür war uns Dachau ein Begriff, aber das war weit weg. KZ wurden sie erst nach dem Kriege genannt.
    Etwa 1936 besuchte uns ein Freund meines Vaters. Der lange Zeit in einer sächsischen Großstadt Stadtrat (SPD) war. 1933 verlor er dieses Amt. Er machte uns aufmerksam, dass Hitler versprochen hatte, in vier Jahren gäbe es in Deutschland keine Arbeitslosen mehr. Er hat anerkannt, dass tatsächlich viele Leute wieder Arbeit gefunden haben, aber eben nicht alle. Und er hat uns aufmerksam gemacht, dass man als Politiker niemals etwas versprechen darf, weil man nie weiß, was dazwischen kommen kann. Ein Politiker kann sagen, welcher Aufgabe er sich als Erstes widmen will, wofür er sich stark machen will, was er erreichen möchte - aber niemals etwas versprechen!

    Heute hat man oft den Eindruck, dass Politiker mit einer erschreckenden Leichtigkeit unhaltbare Versprechungen machen, von denen sie wissen, dass sie nicht erfüllt werden können. Und das führt dann zur Politikverdrossenheit.
    Es fanden zwar geheime Wahlen statt, aber die Stimmenauszählung war auch geheim, deshalb lag die angebliche Zustimmung zu Hitler bei 99%. Gelegentlich besuchte uns unser Radiohändler, er hatte im Nachbarort ein Wochenendhaus. Ich entsinne mich, dass er einmal sagte: "Ich kann hinkommen, wohin ich will, ich treffe immer das eine Prozent!"
    Die Nazi-Propaganda hetzte zwar gegen die Juden, aber es gab kein Fernsehen, selbst der Rundfunk steckte noch in den Kinderschuhen, nicht jede Familie hatte eine Tageszeitung, und so wie heute wurde nicht alles gelesen, was in der Zeitung stand. So bekannt, wie das jetzt dem deutschen Volk gern unterstellt wird, war dieser Kampf der Nazis nicht. Dennoch babe ich einmal das Gespräch einiger Erwachsener über dieses Problem verfolgt. Ich entsinne mich, dass einer sagte, wenn man etwas gegen diese Leute hätte, könnte man das doch anders lösen. Wird ein neuer Theaterintendant gesucht, ein neuer Chefarzt, ein Dirigent, kann man aus den Bewerbern einen deutschen auswählen, vielleicht führt das dazu, dass die anderen dann Deutschland "freiwillig" verlassen. Sicher war er um das Ansehen Deutschlands in der Welt besorgt.

    Lebensstandard

    Jetzt ein paar allgemeine Bemerkungen zum Leben damals. Wenn in den 30er Jahren eine Familie ein Rundfunkgerät besaß, die Kinder anfangs einen Roller und später vielleicht sogar ein Fahrrad hatten, und wenn sich die Familie einmal im Jahr einen 14-tägigen Urlaub in der näheren Umgebung leisten konnte, so war das der Inbegriff des Wohlstandes! Für die Wäsche gab es meist im Keller eine Waschküche. Die Weißwäsche wurde auf der Wiese im Hinterhof in der Sonne gebleicht und dazu mehrmals mit frischen Wasser besprengt. Der Teppich, so man denn einen hatte, wurde auf der Stange geklopft. Es gab keinen Staubsauger, keine Waschmaschine, keinen Kühlschrank, keinen Elektroherd sondern vielleicht einen Gaskocher, sonst musste der Küchenofen angeheizt werden. Für den Winter wurden Obst und Gemüse in Gläsern eingekocht. Die Wochenarbeitszeit betrug 48 Std. Mo - Fr je 8,5 Std. und Sa 5,5 Std. Telefon hatten Dienststellen der Behörde, Betriebe,

    der Handel und ein paar Parteigenossen. Der normale kleine Bürger hatte kein Telefon. Das alles sollte man sich vergegenwärtigen, wenn man sich heute anmaßt, das politische Verhalten der damaligen Generation zu kritisieren. Die hatte noch viel mit sich selbst zu tun und konnte sich nur wenig für Politik interessieren. Und es ging ja aufwärts in Deutschland. Mercedes und Autounion gewannen fast jedes große Rennen. Man war wieder wer! Warum sollte man sich da Gedanken machen? Und niemand hat in dieser Zeit gefragt: "Wer bezahlt das denn alles?" Ich entsinne mich, dass viel später Anfang des Krieges Hitler einmal getönt hat: "Uber 90 Milliarden habe ich in die Rüstung gesteckt!" Wer hat ihm denn das Geld gegeben? Das deutsche Volk war es nicht! Aber das wird jetzt dafür verantwortlich gemacht; und das zusätzlich auch noch von einigen Deutschen selbst, die sich nicht die Mühe machen, sich in diese Zeit zu versetzen.

    Jugend - Staatsjugend

    Vor 1933 gab es eine Unzahl von Jugendbünden, deshalb sprach man von der bündischen Jugend: Pfadfinder, Ringpfadfinder, Geusen, CVJM usw. Ihre Mitglieder kamen meist von Höheren Schulen. EM Beitrag wurde nicht gezahlt. Ich war bei den Ringpfadfindern. Wir kamen einmal in der Woche zu einem Heimabend zusammen. Da wurde gesungen, aus einem interessanten Buche vorgelesen, das Morsealphabet gelernt und es wurden nach Diktat Karten gezeichnet meist in Messtischblattgröße. Darauf erinnere ich mich noch. Am Wochenende fand entweder ein Geländespiel statt oder wir waren auf "Fahrt" d.h. wie wanderten aus der Stadt heraus und suchten uns dann einen Waldrand zum Zelten und Ubemachten. Am Sonntag ging es zurück. Nach 1933 wurden all dies Jugendbünde von den Nazis übernommen. Die 10 bis 14-jährigen "Pimpfe" wurden im Jungvolk, die 14 bis 18-jährigen von der Hitlerjugende erfasst. Ich entsinne mich noch auf einen Sonntag Vormittag. Wir mussten um 8 Uhr zum Dienst antreten, marschierten auf den alten Exerzierplatz, den es noch gab und dort wurde 3 Stunden lang exerziert mit "Im Gleichschritt marsch!", "Abteilung halt!", "Links um!", "Rechts um!" Es war zum Kotzen langweilig. Um 12 Uhr waren wir wieder am Ausgangspunkt.

    In der Folgezeit wurden viele aus der Bündischen Jugend

    beim Jungvolk oder bei der HJ als Führer eingesetzt. Sie brachten ja, wenn man das so sagen will. außer denen vom CVJM eine gewisse vormilitärische Ausbildung mit. Anfangs mussten die Pimpfe 35 Pfg. Monatsbeitrag zahlen. Das entfiel, als die Jugend zur "Staatsjugend" erhoben und der Sonnabend "Staatsjugendtag" wurde, da gab`s "Dienst" und keine Schule. Es wurden viele Lieder gesungen, aber welche?! Ich entsinne mich auf einen Text: "Deutschland, sieh uns, wir weihen dir den Tod als kleinste Tat, grüsst er einst unsre Reihen, werden wir die große Saat!" Das haben wir rein mechanisch heruntergeleiert, ohne zu erfassen, was wir da eigentlich sangen. Und es war eine nette Melodie.

    Positiv in Erinnerung sind vielen die Sommerlager. Wir fuhren für einen geringen Betrag (15 oder 20 Mark) für 14 Tage weg und übernachteten in Zwölferzelten - aus zwölf Zeltbahnen geknöpft - sie boten für zwölf Mann Platz. Die beste Verpflegung gab es im Sommerlager 1936. Da war Olympiade, und mancher Besucher kam nicht nur deswegen, er wollte auch das "Neue" Deutschland kennen lernen. In unserem Lager konnten wir uns in diesem Jahre einmal mit einem Österreicher unterhalten.
    An diese Hitlerjugendzeit habe ich wenig Erinnerung, sie hat uns nicht vom Stuhle gerissen.

    Kabarettisten

    Weiß Ferdl war ein bekannter Münchner Kabarettist. Er soll einmal mit gerahmten Bildern von Nazi-Größen (Hitler, vielleicht noch Goebbels und Göring) auf die Bühne gekommen sein. Zunächst hat er sie auf den Boden gestellt und an die Wand gelehnt. Dann hat er sie hochgehalten an die Wand, als wolle er testen, in welcher Höhe man sie anbringen sollte? Schließlich hat er sich dem Publikum zugewandt

    und gefragt: "Stellen wir sie an die Wand oder hängen wir sie auf?"
    Der große Kabarettist und Wortspieler Werner Fink war bei den Nazis kein wohlgelittener Mensch. Als er Mitte der dreißiger Jahre eines Abends während der Vorstellung bemerkte, dass sich ein paar Männer Notizen machten, sagte er von der Bühne herunter: "Rede ich zu schnell? Kommen Sie mit? Oder soll ich mitkommen?"

    Begebenheiten

    In unserem Orte wohnte ein Ingenieur - Hydrauliker - der angeblich zu den führenden Hydraulikern Deutschlands zählte. Er war noch in der Systemzeit, also vor 1933 in der Sowjetunion gewesen, in Rüstungsfabriken hinter dem Ural. Und er hat es für seine Pflicht gehalten, die deutsche Regierung auf das aufmerksam zu machen, was er hinter dem Ural in Rüstungsfabriken gesehen hatte. Die Reichsregierung hat sich artig bedankt und darauf hingewiesen, dass sie das nicht interessiert. Nach seinem zweiten Besuch, hat er die Nazi-Regierung unterrichtet, da ist er ausgelacht worden. Er war dann noch ein drittes Mal in den sowjetischen Rüstungsbetrieben aber anschließend nicht wieder bei der deutschen Regierung. Mir ist bekannt, dass der sowjetische Panzer T 34 ein hydraulisches Getriebe hatte, das ihm im Einsatz einige Vorteile brachte. Da gab es nicht viel zu kuppeln und zu schalten und Vorgelege ein- oder auszurücken, sondem nur einen kleinen Hebel - vor oder zurück. Wie weit der Hydrauliker und der T 34 zusammenpassen, kann jeder selbst entscheiden. Nach dem Kriege genoss der Mann in der Sowjetischen Besatzungszone einige Vorteile hinsichtlich Wohnraum und Lebensmittelmarken.

    Luftwaffe

    Auch erst nach dem Kriege habe ich davon gelesen, dass es im Jahre 1937 ein internationales Flugmeeting in Zürich gegeben hat. Es gab dort einige Wettbewerbe u.a. eine Steig- und Sturzflugkonkurrenz. Aufstieg bis auf 3000 m und schnell zurück. Gemessen wurde die Zeit vom Abheben der Räder der Maschine vom Boden bis zur Wiederberührung des Bodens bei der Landung. Die teilnehmenden Länder hatten dafür ehrlich wohl ihre Serienmaschinen eingesetzt, die von einem Fliegeroffizier geflogen wurden. Nicht so die Deutschen. Die hatten eine Me 109 R (Rekord) gebaut. Selbstverständlich ohne Bewaffnung sodass die Maschine leichter war, jede Niete verspachtelt also ganz glatt, und einen Werkspiloten am Steuer. Und der hat beim Start den Steuerknüppel zunächst etwas nach vorn gedrückt, dass sie am Boden blieb und weit mehr Fahrt aufnahm als der Startgeschwindigkeit zum Abheben entsprach. Dann hat er die Maschine, wie man in der Fliegersprache sagt, an den Propeller gehängt, rauf auf die 3000m und im Sturzflug wieder herunter. Und nach etwas über einer Minute, war er wieder am Boden.

    Die zweite Maschine war eine HS 123 auch eine deutsche Maschine, ein Anderthalbdecker und das erste Sturzkampfflugzeug. Im Kriege wurde es nur noch als Schlachtflugzeug mit einer kleinen Kanone eingesetzt. Sie brauchte reichlich drei Minuten. Und das schnellste, aber ehrlich geflogene ausländische Flugzeug brauchte über 5 Minuten. Eine andere Konkurrenz war für Bomber angesetzt. Sie mussten in bestimmter Höhe 200 km hin- und zurückfliegen.

    Da hatten die Deutschen eine Do 17 V8 geschickt, die hochgradig frisiert war. Ohne die drei sonst aus der Maschine herausragenden MG, mit abgeflachter Haube auf dem Rumpf für den Bordfunker. Deshalb bekam die Maschine den Beinamen der Fliegende Bleistift. Und statt der sonst üblichen Sternmotoren hatte sie zwei Reihenmotoren mit wesentlich weniger Luftwiderstand. Danach gab es in der ausländischen Presse die Schlagzeile "Deutschlands Bomber schneller als Frankreichs Jäger!" Da haben die Deutschen dem Ausland Leistungen vorgegaukelt, die ihre normalen Maschinen niemals hatten.

    Und bei dieser Lügerei muss ich noch etwas erwähnen. Die französische Abwehr hatte zu Beginn des Krieges 4000 bis 4500 deutsche Militärflugzeuge registriert. Tatsächlich besaß die Luftwaffe zu dieser Zeit knapp 2000 Maschinen. Das kam so zustande: Einige - selbstverständlich neue Maschinen - waren ständig auf Deutschlandrundflug. Die Maschinen sind mit Buchstaben und Zahlen gekennzeichnet. Und ein Buchstabe ändert sich bei jeder Staffel von A bis Z, z.B. K7 AK bis K7 ZK. Und da das Alphabet einschließlich des J 26 Buchstaben hat, gehören also zu jeder Staffel 26 Maschinen. Und diese Rundflugmaschinen wurden auf jedem Fliegerhorst, wo sie landeten, in die Werft geschoben und umbeschriftet. Was die Franzosen gezählt haben, waren Kennzeichen, aber keine Flugzeuge. Es wurde viel gelogen und vielleicht ist dadurch der Respekt vor Deutschland im Ausland gestiegen. Doch hat sich bald herausgestellt, wie "stark" die Luftwaffe wirklich war. Lügen haben bekanntlich kurze Beine. Und ein ausländischer Kritiker hat später festgestellt: "Hitler hat Deutschland in eine Festung verwandelt, aber das Dach hat er vergessen!" Die Luftwaffe war ja nur auf Angriff ausgerichtet.

    Nach 1942 ging bei der Luftwaffe das Gerücht um, man hätte dem Adolf in Ostpreußen die Me 262 vorgestellt und vorgeflogen. Und er habe danach Herrn Messerschmidt gefragt, ob diese Maschine Bomben tragen könne? Der war von dieser Frage völlig verblüfft; denn die Me 262 war ein reines Jagdflugzeug mit zwei Junkersturbinen. Um nicht: "Nein!" zu sagen, was ja gegenüber einem Despoten nie klug ist, hat Herr Messerschmidt gemeint, es wäre vielleicht möglich, unter dem Rumpf zwei 250kg-oder eine 500kg-Bombe zu hängen. Und der Adolf hat daraus geschlossen: "Das wird jetzt mein Vergeltungsbomber gegen England!" Einige Zeit später war ein englischer Pilot über Deutschland abgeschossen worden. Er hatte, was an sich nicht üblich ist, vertrauliche Mitteilungen dabei. In denen stand: "Die Deutschen haben eine hervorragende Maschine, aber sie verstehen es nicht, sie richtig einzusetzen". Was freilich bei einem anderen Einsatz auch nichts am Verlaufe des Krieges geändert hätte.

    Kristallnacht

    In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland viele, wenn auch nicht alle Synagogen. Ein Ereignis, auf das niemand vorbereitet war, für das niemand, auch nicht begeisterte Nationalsozialisten, auch nur das geringste Verständnis aufgebracht haben. Man hatte den Eindruck - Ich habe es erlebt! - dass selbst die Führung der Nazis von dieser Aktion überrumpelt wurde. Dabei wäre ein Mann wie Reichspropagandaminister Goebbels doch durchaus in der Lage gewesen, das deutsche Volk ideologisch darauf vorzubereiten. Aber das war nicht geschehen. Und da macht man sich seine Gedanken, was da wirklich passiert ist? Und meine Gedanken gebe ich hier wieder:
    Die vermögenden Juden, die das nötige Geld und die Reisepapiere besaßen, hatten Deutschland bereits verlassen. Sie konnten diese Synagogen nicht mehr nutzen, brauchten sie also nicht mehr. Und die kleinen, armen die mühsam um ihre Existenz kämpften, kamen weder in diese Häuser, noch hätten sie sich eine Ausreise leisten können.

    Bis in die 1970er Jahre waren die Telefone der deutschen Post so geschaltet: Wenn der Teilnehmer A den Teilnehmer B anruft und am Ende des Gespräches beide

    ihren Hörer auflegen, ist die Leitung wieder frei. Legt der Teilnehmer A den Hörer nicht wieder auf, kann er keine Gespräche mehr empfangen, aber der Teilnehmer B kann nicht telefonieren, weil die Leitung noch nicht frei ist. Wenn jetzt irgend jemand den örtlichen SA Sturmführer anruft: "Führerbefehl, rufen Sie Ihre Männer heute Abend zusammen und legen Sie in der Synagoge Feuer!" Und danach legt er den Hörer nicht wieder auf, bleibt die Leitung blockiert. Sollte der Sturmführer Zweifel haben und seine übergeordnete Dienststelle oder einen Kameraden in einer anderen Stadt anrufen wollen, so kommt er nicht mehr in die Leitung herein. Und aus Kadavergehorsam führt er den "Befehl" dann doch aus! Unter dieser Dummheit der SA werden wir noch lange zu leiden haben. Das ist für mich die einzige Auslegung, die einen Sinn ergibt. Und wenn es so war, kann ich nur sagen: Alle Achtung vor dieser logistischen Glanzleistung! Es gab wenig später das Gerücht, dass mit dieser Aktion der internationale Zionismus den Kampf gegen Nazideutschland eröffnet hätte. Vielleicht kann eine spätere Geschichtsschreibung da einmal Klarheit schaffen, wenn sie es darf!

    Der Krieg

    Zu Beginn des Krieges war ich noch in der Ausbildung. Dass bestimmte Spannungen an der deutsch-polnischen Grenze provoziert worden waren, war mir bekannt. Als ich am 1. September 1939 in der Frühstückspause über den Werkhof ging, fragte eine kaufmännische Angestellte den Pförtner, bei dem ständig das Radio mit Marschmusik lief: "Ei, Herr G., was macht denn der Krieg?" Ich habe mir gedacht: Wovon redet die Frau? Der Hitler macht doch keinen Krieg! Es war ja bisher alles, was der Hitler durchgesetzt hat gut und ohne Konflikte gegangen.
    Einige Zeit, nach dem ich ausgelernt hatte, bekam ich einen Vorbescheid für die Einberufung, der im Betrieb vorzulegen war. Das habe ich getan, und nichts wieder von der Wehrmacht gehört. Vermutlich hat mich der Betrieb reklamiert; denn er brauchte ja Arbeitskräfte. Als dann ein zweiter Vorbescheid kam, war ich "schlauer" und habe ihn nicht im Betrieb vorgelegt. Ich habe doch in meiner jugendlichen Naivität gedacht, ich verpasse etwas, wenn ich nicht im Krieg bin.

    Hitler hat mit dem Krieg der jungen deutschen Generation nicht nur ihre Jugend genommen, viele hat er in den Tod geschickt oder sind durch schwere Verwundungen zu Krüppeln geworden. Studieren konnte man auch nicht, außer man studierte Medizin. Und seine Parole: "Der Lebensraum des deutschen Volkes liegt im Osten!" stimmt in einem ganz anderen Sinne, nicht dass sich Deutschland das Land im Osten aneignet, sondern dass wir in die Länder des Ostens unsere Industrieprodukte liefern und dadurch unser Leben sichern können. Und obgleich Deutschland jetzt flächenmäßig kleiner ist, leben wir recht gut damit. Wenn man noch an Hitlers Traum von der nordischen "Edelrasse" denkt und sieht, was sich nach dem Krieg ergeben hat, so sind wir weit von seinem Traum entfernt, und es tut uns gut.

    Im Gymnasium waren wir in unserer Klasse 23 Schüler. 12 sind aus dem Krieg wieder heimgekommen, davon sechs Ärzte, die ja nicht unmittelbar an der Front gewesen sind. Und wir anderen ohne Studium waren, wie ich zu sagen pflege, verkrachte Existenzen.

    Im Dienst

    In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland viele, wenn auch nicht alle Synagogen. Ein Ereignis, auf das niemand vorbereitet war, für das niemand, auch nicht begeisterte Nationalsozialisten, auch nur das geringste Verständnis aufgebracht haben. Man hatte den Eindruck - Ich habe es erlebt! - dass selbst die Führung der Nazis von dieser Aktion überrumpelt wurde. Dabei wäre ein Mann wie Reichspropagandaminister Goebbels doch durchaus in der Lage gewesen, das deutsche Volk ideologisch darauf vorzubereiten. Aber das war nicht geschehen. Und da macht man sich seine Gedanken, was da wirklich passiert ist? Und meine Gedanken gebe ich hier wieder:
    Die vermögenden Juden, die das nötige Geld und die Reisepapiere besaßen, hatten Deutschland bereits verlassen. Sie konnten diese Synagogen nicht mehr nutzen, brauchten sie also nicht mehr. Und die kleinen, armen die mühsam um ihre Existenz kämpften, kamen weder in diese Häuser, noch hätten sie sich eine Ausreise leisten können.

    Bis in die 1970er Jahre waren die Telefone der deutschen Post so geschaltet: Wenn der Teilnehmer A den Teilnehmer B anruft und am Ende des Gespräches beide

    ihren Hörer auflegen, ist die Leitung wieder frei. Legt der Teilnehmer A den Hörer nicht wieder auf, kann er keine Gespräche mehr empfangen, aber der Teilnehmer B kann nicht telefonieren, weil die Leitung noch nicht frei ist. Wenn jetzt irgend jemand den örtlichen SA Sturmführer anruft: "Führerbefehl, rufen Sie Ihre Männer heute Abend zusammen und legen Sie in der Synagoge Feuer!" Und danach legt er den Hörer nicht wieder auf, bleibt die Leitung blockiert. Sollte der Sturmführer Zweifel haben und seine übergeordnete Dienststelle oder einen Kameraden in einer anderen Stadt anrufen wollen, so kommt er nicht mehr in die Leitung herein. Und aus Kadavergehorsam führt er den "Befehl" dann doch aus! Unter dieser Dummheit der SA werden wir noch lange zu leiden haben. Das ist für mich die einzige Auslegung, die einen Sinn ergibt. Und wenn es so war, kann ich nur sagen: Alle Achtung vor dieser logistischen Glanzleistung! Es gab wenig später das Gerücht, dass mit dieser Aktion der internationale Zionismus den Kampf gegen Nazideutschland eröffnet hätte. Vielleicht kann eine spätere Geschichtsschreibung da einmal Klarheit schaffen, wenn sie es darf!

    Smolensk

    Nach einigen Zwischenstationen landeten wir schließlich zum Wintereinbruch in Smolensk, wo wir längere Zeit blieben. Gegen Weihnachten wurde ein kleines Kommando nach Minsk geschickt, um dort Ersatzteile abzuholen. Es bestand aus einem Feldwebel, dem Fahrer, beide im Führerhaus, und drei Landser auf der Ladefläche, zu denen ich gehörte. Der Wagen war ein 3-Tonner Beutefahrzeug. Ein robuster Laster, dessen Motor alles schluckte, was brannte: Flugmotoren- oder Ottomotorensprit, Dieselöl, Katalytbenzin (wurde in einem "Ofen" unter dem Flugmotor verbrannt, um ihn vorzuwärmen) oder Petroleum. Die Leistung und die Motortemperatur waren jeweils unterschiedlich, aber der Motor lief!

    In Minsk übernachteten wir im Soldatenheim. Das war aus einem Kino entstanden. Das Gestühl war herausgerissen und auf dieser schrägen Fläche lagen Matratzen. In den Nebenräumen standen Doppelstockbetten, wo wir schliefen und es gab noch einen Aufenthaltsraum. Die Matratzen waren mit schwarzer Farbe gekennzeichnet: "Moses so und so Hamburg", "Isaak so und so Bremen" usw. Von den Besitzern war nichts zu sehen. Deshalb fragte ich im Aufenthaltsraum einen Feldgendarmen, der in Minsk stationiert war, wie denn die Matratzen hierher gekommen seien? Und der sagte mir, die haben "die" mitgebracht! Ich fragte ihn, wo "die" jetzt sind? Er sagte mir mit einem eigenartigen, vielleicht verlegenem Grienen im Gesicht, die hätte man hier "bodenständig" gemacht.

    Da ich mir darunter nichts vorstellen konnte, habe ich nachgehakt. Dann erzählte er mir, es wären Gräben ausgehoben worden, "die" hätten sich ausziehen müssen. Der Schmuck wäre ihnen abgenommen worden und mit deutscher bürokratischer Pedanterie Stück für Stück in Listen erfasst worden. Dann hätten sich diese Leute oben am Grabenrand hinhocken müssen und wären durch Soldaten der Waffen-SS per Genickschuss in den Graben befördert worden. Und er ergänzte, dass einige von den jungen SS-Soldaten danach durchgedreht hätten, verrückt geworden wären und reif waren für die Irrenanstalt. Die hatten sich ihre Aufgabe als Soldat anders vorgestellt, als wehrlose Menschen meuchlings zu ermorden.

    Die Nazis hätten sich ja diese Auswirkung als deutliche Mahnung annehmen können und diese feigen Morde einstellen, stattdessen haben sie nach anderen Tötungsmöglichkeiten gesucht.

    Im Frühjahr konnte ich auf Heimaturlaub fahren und besuchte ein befreundetes Ehepaar. Die Frau fragte mich: "Ei, Herr Reiche, was wird denn, wenn wir den Krieg verlieren?" Ich dachte an Minsk und habe ihr ausweichend geantwortet: "Wir dürfen diesen Krieg nicht verlieren!" Sie hat nicht nachgefragt, warum? Und ich bin mir feige vorgekommen. Aber was hätte ich angesichts der Erkenntnisse von Minsk als Soldat von der Front sagen sollen oder dürfen?

    Es gab das Gerede, ein anderer Mordversuch wäre gewesen, die Leute in einen Kastenwagen zu laden, ein paar Kilometer zu fahren und die Abgase in den Kasten zu leiten. Vielleicht wurden dadurch auch die Fahrer, also die eigenen Leute, gefährdet. Aber auch das war für die Nazis kein Grund, das Morden einzustellen.

    Besondere Maschinen

    In Smolensk waren auch zwei Ju 86 Maschinen stationiert. Sie hatten zwei Gegenkolbendieselmotoren mit Lader (Kompressor) und einem ganz eigenartigem hellen und harten Auspuffgeräusch. Die Maschinen waren unbewaffnet, hatten verlängerte Tragflächen, wie bei einem Segelflugzeug und eine druckdichte Kabine. Es war ein Aufklärungsflugzeug mit einer Dienstgipfelhöhe von 12000 bis 14000 Metem. In diese Höhen reichte keine Flak und kam kein Jagdflugzeug. Durch Zufall habe ich einmal in unserem Gefechtsstand eine Aufnahme von Moskau gesehen, auf der man jede einzelne Straße erkennen konnte. Ich kann mich auf zwei Luftangriffe auf den Flugplatz von Smolensk entsinnen, bei denen die Russen versucht haben, die Maschinen am Boden zu zerstören, aber ihre Bomben fielen weit abseits.

    Eines Abends hatte wir einen Bombenangriff. Durch die Erschütterung fiel in einem unserer Räume etwas Putz von der Decke auf den Kopf unseres Zahlmeisters. Es entstand ein kleiner Riss und es kamen ein paar Tropfen Blut. Er ging zum Sani und ließ sich ein Pflaster darauf machen. Ein paar Tage später lief er stolz mit dem Verwundetenabzeichen an der Brust herum. Schließlich war die "Verwundung" durch Feindeinwirkung entstanden und er hatte medizinische Hilfe in Anspruch genommen. Rein juristisch war die Verleihung des Abzeichens korrekt. Ich hätte mich geschämt, sie in diesem Falle anzunehmen oder zu beantragen.

    Einer unserer Flugzeugführer, im Zivilberuf Uhrmacher in Berlin, war eine Zeit lang als Fluglehrer tätig. Einmal war er mit einem Flugschüler auf einer Focke Wulf Weihe unterwegs. Das war eine leichte zweimotorige Maschine, die ein Metallgerüst hatte, das mit Stoff bespannt war. Deshalb hatte sie den Spitznamen Leukoplastbomber. Und auf diesem Flug forderte der Flugschüler den Fluglehrer auf, die Maschine nicht so hart anzufassen! Der Fluglehrer hat sich gedacht: Was ist denn das für ein Schnösel. Nach dem Flug haben sich seine Fluglehrerkameraden bei ihm erkundigt, wie sich denn sein heutiger Flugschüler angestellt hätte. "Ja wie soil er sich angestellt haben, wie alle anderen Flugschüler auch!". "Ja weißt Du denn nicht, wer das war? Das war doch der berühmte Segelflieger Bräutigam!" Und der allerdings war selbst mir bekannt. Man kann daraus auch schließen, dass in der Hektik des Krieges schon die Ausbildung der Fluglehrer nicht solide war.

    Schatalowka

    Nach etwa einem Jahr wurden wir verlegt nach Schatalowka, etwa 60 km südlich von Smolensk gelegen. Es gab zwei Feldflughäfen West und Ost, wir lagen auf Ost. Zu dieser Zeit hatten wir als Staffelkapitän einen Oberleutnant, der bei der Truppe recht beliebt war. Dann passierte folgendes: Eine unserer Maschinen verlor beim Start kurz vor Ende der Startbahn die mitgeführten Leuchtbomben, die detonierten. Der Flugzeugführer brachte die Maschine zwar an der Platzgrenze durch Bauchlandung noch zum Stehen, aber sie brannte. Die beiden vorn sitzenden Offiziere konnten die Maschine noch verlassen. Als der Staffelkapitän an die Absturzstelle kam, war seine erste Frage: "Sind die Herren Offiziere raus? Sind die Herren Offiziere raus?" als man ihm das bestätigte, sagte er: "Ein Glück, dass die Herren Offiziere raus sind! Ein Glück, dass die Herren Offiziere raus sind!" Für die beiden Unteroffiziere, Bordmechaniker und Bordfunker, die bei der Stauchung des Vorderteils der Maschine nicht mehr herauskamen und die bei lebendigen Leibe verbrannten, hat er sich überhaupt nicht interessiert. Damit hatte er es verständlicherweise bei allen Unteroffizieren und Mannschaftsdienstgraden, wie der Landser sagt: verschissen. Und dann kam das Nachspiel, die Frage zu klären, wer schuld ist? Für die Bomben ist innerhalb der

    technischen Gruppe die WaBo (Waffen und Bomben) verantwortlich und damit schuldig! Die WaBo stellte fest:
    1. Solange die Bombenklappe geschlossen ist, kann keine Bombe herausfallen.
    2. Die Maschine hat ein Reihenabwurfgerät, das vom Beobachter betätigt wird. Man kann das Gerät schon beim Start zur Kontrolle ablaufen lassen, ohne dass irgendetwas passiert, so lange die Bombenklappe zu ist. Und dieser Offizier, im Zivilberuf Lehrer, war für solche Spielereien bekannt.
    3. Die Maschine hatte Goebbelsbomben (Flugblätter) an Bord, die in der Bodenwanne gestapelt waren.
    4. In dieser Wanne befand sich an der Rückwand ein Druckknopfschalter um, wenn nötig, durch den Bordmechaniker die Klappe zu öffnen. Und jetzt kommt eine verständliche Erklärung.
    5. Wenn durch die Startbeschleunigung, und die hat ja wohl jeder schon einmal erlebt, der Stapel Flugblätter nach hinter umkippt und auf den Druckknopf fällt, geht die Bombenklappe auf. Wenn jetzt das Reihenabwurfgerät betätigt wird, fallen die Bomben heraus. Der Staffelkapitän ist mit dem WaBo - Unteroffizier die Startstrecke abgelaufen. Dabei hat dieser dem Oberleutnant angedeutet: "Ob nicht vielleicht durch einen Fehlgriff der Besatzung..." "Was fällt Ihnen ein, Sie haben sich überhaupt kein Urteil zu erlauben!"

    Anni

    Da wir längere Zeit in Schatalowka lagen, hatten einige Kameraden Kontakt im Ort gesucht. Sie hatten zwei Mädchen entdeckt, von denen die eine angeblich perfekt Deutsch sprach. Deshalb haben sie mich lange bekniet, doch einmal mit hin zu gehen. Ich könnte mich mit der einen prima unterhalten. Ich habe mich dann dazu aufgerafft. In der Stube stand ein Bett, da wurde die Bettdecke ein Stück zurückgeschlagen und wir drei dort platziert.

    Die Vera war ein dralles Mädel vom Land und auch ganz lustig, aber Deutsch sprach sie nicht. Die Anni saß am Fenster mit einer Handarbeit, sagte aber keinen Ton. Da habe ich angefangen zu lästern und bekam für alles, was ich sagte, entweder von links oder von rechts oder von beiden Seiten einen Stoß mit dem Ellbogen in die Rippen. Wir sind wohl 20 Minuten geblieben.

    Als wir wieder allein waren haben mich meine Kameraden alles geheißen, was es gibt: "Du Arschloch, du Rindvieh, du blöder Hund. Die Anni hat alles verstanden, was Du gesagt hast!" "Die hat ja den Mund nicht aufgemacht, einen Scheißdreck hat die verstanden, sonst hätte sie doch etwas gesagt!" habe ich entgegnet und hatte die Schnauze voll von dem Besuch. In der nächsten Zeit haben meine zwei Kameraden immer wieder versucht, mich zu überzeugen, noch einmal mit hinzugehen. Schließlich bin ich mitgegangen. Und da

    habe ich mich mit der Anni unterhalten, sie sprach tatsächlich perfekt Deutsch. Am ersten Tage hatte sie mich voll auflaufen lassen, und ich bin prompt darauf hereingefallen. Sie war Mathematikstudentin in Moskau, musste widerwillig Deutsch lernen und war entsprechend faul.

    Als die deutschen Truppen in ihren Ort kamen, konnte sich ihr Onkel, der im 1. Weltkrieg in deutscher Gefangenschaft gewesen war, besser mit den deutschen Landsern unterhalten als sie, die Deutsch gelernt hatte. Das hat sie angespornt. Sie arbeitete auf dem Flughafen West, wo sie deutsche Gesprächspartner fand. In Moskau hatten sie als Studenten ein höheres Stipendium als in anderen Städten. Dafür mussten sie sich gut kleiden und vemünftig essen. Es blieb aber noch Geld für einen Kinobesuch übrig.

    Aus unserer Propaganda wusste ich, dass die Sowjets für bestimmte Projekte in abgelegenen Gegenden Zwangsarbeiter und politisch Verfolgte einsetzten. Sie meinte aber, dass diese Projekte doch ausgeführt werden müssten und dass dafür praktisch jede Familie eine Arbeitskraft abstellen müsste. Als ich hartnäckig bei meiner Frage blieb, gab sie dann zu, dass auch politische Straftäter eingesetzt würden. Und sie ließ erkennen, dass diese "Straftaten" oft eine recht geringe Bedeutung hatten. Ich bin nicht wieder in den Ort gegangen.

    Sonderurlaub

    Durch Zufall kam ich einmal in den Genuss, für 14 Tage nach Zakopane in der Hohen Tatra Polens in Urlaub fahren zu dürfen. In Brest-Litowsk wurden wir aus dem Zug genommen und in ein festes Gebäude geführt. Wir wurden zum Duschen geschickt. Unsere Textilien wurden auf Bügel gehängt, Socken und Schuhe getrennt abgegeben. Je nachdem, welche Art Unterkunft wir im Einsatz hatten, brachten wir ja Flöhe, Läuse oder Wanzen mit. So kamen die Textilien in eine Kammer, wo das Ungeziefer durch Gas getötet wurde. Da dieser Prozess länger dauerte als das Duschen, bekamen wir für die Wartezeit einen Drillichanzug. Es war ein

    Vorgang, wie er später auch in dem Film "Schindlers Liste" gezeigt wurde. So gesehen bin ich oder sind meine Klamotten also auch durch eine Gaskammer gegangen. Nach etwa zwei Stunden bekamen wir unsere Sachen zurück, und ich entsinne mich, dass die Schuhe nach Lysol stanken. Kurze Zeit später fuhr der Zug weiter.
    In Zakopane haben uns die Polen auf ihre Weise verscheißert, es war der Küche angeblich nicht möglich, die zum Fleisch passende Soße am gleichen Tag zu servieren, sondern erst am nächsten. Und so gab es zum Gänsebraten Schweinebratensoße, zum Fisch Gänsebratensoße und zur Ente Fischbrühe.

    Humor

    Landserwitze grenzen manchmal an Philosophie. Danach sei der Adolf im Winter an die Ostfront gekommen und habe gefragt, was sich die Truppe zu Weihnachten wünscht? Das waren russische Waffen, englische Verpflegung und die Italiener als Gegner. Russische Handfeuerwaffen funktionierten auch noch, wenn sie im Sand gelegen hatten, mit

    den präzisen deutschen Gewehren und Maschinengewehren konnte es schon bei einem Sandkorn Schwierigkeiten geben. Von den robusten LKWs hatte ich schon gesprochen. Diese Beutefahrzeuge wurden gern genutzt; denn sie waren zuverlässig. Die deutschen Wagen liefen ja nur mit dem vorgesehenen Sprit und mit hohem Verbrauch.

    Vorwärts Kameraden, wir müssen zurück

    Diese Parole kam auf, als das einsetzte, was im Wehrmachtsbericht verschämt als Frontbegradigung ausgegeben wurde, tatsächlich musste die Wehrmacht dem Druck der Roten Armee weichen. Der Rückzug erfolgte zügig und peinlich schnell. In Baranowischtschi wurden wir als Technisches Personal sogar noch zum Wachdienst eingeteilt, was bisher überhaupt nicht üblich war. Wir waren tagsüber mit der Wartung der Maschinen beschäftigt, abends waren wir im Einsatz, weil unsere Maschinen

    nachts flogen und anschließend wieder mit zwei Lampen "eingewunken" werden mussten, und dann noch Wache schieben! Da haben wir uns beim Technischen Offizier beklagt, und er fragte uns: "Ja was wollen Sie denn?" Das hat einer auf den Nenner gebracht: "Wir wollen einmal schlafen, Herr Leutnant!" Damals habe ich erkannt, dass neben Hunger und Durst die Übermüdung eine hohe Belastung für den Körper darstellt, die einen Menschen zur Verzweiflung bringen kann.

    Glaubwürdigkeit

    Einmal hatte ich bei 19° Kälte auf dem Rollfeld einen Ladedruckregler zu wechseln. Das etwa faustgroße Gerät ist an der Rückseite des Motors in einem Schacht angebracht. Um heranzukommen stand ich mit einem Fuß auf einer Leiter, mit dem anderen auf dem Rad des Fahrwerkes und ich musste über Kopf arbeiten. Das ist nicht gerade eine angenehme Position. Den Regler konnte ich sehen, aber wenn ich mit der Hand hochging, sah ich nichts mehr. Der Regler hatte seitlich einen Flansch mit einem kurzen Zapfen, der in einer Bohrung im Motorblock saß. Der Flansch hatte drei Bohrungen und war mit drei Schrauben M5 befestigt. Man konnte nur mit einem Ringschlüssel heran, der in dem engen Schacht jeweils nur um ein Sechstel Umdrehung bewegt werden konnte. Und das alles bei 19° minus. Ich konnte keine zwei Minuten arbeiten, dann musste ich die Hände wieder warm reiben. Dass das Einführen der Schrauben beim Einbau des neuen Reglers noch schwieriger war, kann sich jeder denken.

    Gegen 14 Uhr kam der Technische Offizier, ein junger Leutnant, und wollte wissen, ob die Maschine heute noch klar wird? (Wenn ein Flugzeug "klar" ist, so ist es einsatzfähig.) Das konnte ich ihm unter den gegebenen Bedingungen beim besten Willen nicht sagen. (Ich dachte hier auch an die oben erwähnten Versprechungen der Politiker.) Er erweckte den Eindruck, als ob er sich sagte: Der Motorenschlosser kann mir viel erzählen, ich verstehe ja nichts davon. Und er war wohl mit meiner Antwort nicht zufrieden. Ich weiß nicht mehr, ob ich es an diesem Tage noch geschafft habe. Es gab zwar einen Wärmewagen in der Staffel, der Warmluft produzierte, aber den nahm sich ein Feldwebel für seine Arbeit. Der kleine Gefreite ging leer aus.

    Bei der Luftwaffe war eine einfache Qualitätskontrolle üblich. Wer an einem Flugzeug eine größere Reparatur ausgeführt hatte, musste bei dem anschließenden 10

    bis 20-minütigen Werkstattflug mitfliegen. Einmal hatte eine unserer Maschinen Beschuss gehabt. Die linke Tragfläche und der linke Motor mussten gewechselt werden. Die Tragfläche war dreiteilig, das Mittelstück mit den beiden Motoren und die zwei Außenstücke. Die Do 217 war eine für den Sturzflug taugliche Maschine, also gehörte zum Werkstattflug auch ein Sturzflug. Da ich den Motor gewechselt hatte, musste ich zum Werkstattflug mit einsteigen. So bin ich auch einmal zu einem Sturzflug gekommen. Davor hatte ich keine Angst, denn der Flugzeugführer war von Beruf Einflieger bei Junkers, der konnte fliegen!

    Ich saß auf dem Sitz des Bordmechanikers und war im Gegensatz zum Flugzeugführer nicht angeschnallt. Er flog, wie es in der Fliegersprache heißt, einen Sturz mit Absprung, also ähnlich wie ein Skispringer. Von 2100 m Höhe drückte er die Maschine auf 1900 m herunter, zog sie wieder auf 2000 m hoch wie über den Schanzentisch und dann Steuerknüppel nach vorn und die Maschine sackte unter mir weg. Ich habe instinktiv mit der rechten Hand nach meiner Sitzfläche gelangt, das war aber nicht nötig, ich flog ja hinterher. Der mitfliegende Prüfmeister hatte seine Handschuhe auf einem Bord neben mir abgelegt, die schwebten frei im Raume, ich hätte meine Hände hinein schieben können. Da ich tiefer saß als der Flugzeugführer, konnte ich zwischen seinen Beinen hindurchsehen und erkennen, wie uns die Erde anfangs scheinbar langsam, später immer schneller entgegenkam. Und als er dann die Maschine abgefangen hat - ich weiß nicht ob von Hand oder mit der Abfangautomatik - um wieder in den Horizontalflug überzugehen, bin ich zusammengeklappt wie ein Taschenmesser. Mein Kopf lag auf meinen Knien und ich brachte ihn nicht hoch! Damals war ich 24 Jahre alt, aber die Fliehkraft war weit stärker als ich. Es war eine Lehrstunde in Physik.

    Hoffnungslos

    Es gab in der Truppe auch nationalsozialistische Führungsoffiziere, die uns - glücklicherweise selten - ideologisch ausrichten sollten. Bei einer derartigen Belehrung im Januar 1945 war der Führungsoffizier selbst niedergeschlagen. Und er hat sich gewagt zu sagen: "Man könnte meinen, es ist hoffnungslos!" Und das in einem

    Augenblick, wo er uns eigentlich hätte aufbauen sollen. Ich dächte, er hätte sogar das Wort Angst gebraucht. Er war uns gegenüber ehrlich, und es war keiner unter uns, der ihn irgendwo verpfiffen hätte.

    (Ich mache jetzt einen Sprung in die Heimat, weil das Geschehnis etwa zur gleichen Zeit erfolgte.)

    Parteigenosse

    Mein Vater war lange Zeit in Chemnitz Volksschullehrer an ein und derselben Schule, aber er war nicht Mitglied der NSDAP. Deshalb wurde er mit 63 Jahren zum Rucksacklehrer degradiert. Er musste von Schule zu Schule ziehen und einspringen, wo ein Lehrer ausgefallen war. Das war zeitaufwendig und anstrengend. Er bekam einen Tipp und trat der NSDAP bei. Sofort brauchte er nicht mehr in Chemnitz zu arbeiten, sondern in dem Vorort, in dem wir wohnten. Er bekam weiterhin sein höheres Stadtlehrergehalt und nicht das niedere vom Land. 1945 in der Sowjetischen

    Besatzungszone flog er als "Nazilehrer" wie alle Beamten und Angestellten, die einen braunen Fleck auf ihrer Weste hatten, aus seinem Amt. 1946 wäre er in Pension gegangen, aber er bekam nur die Mindestrente. Von der Pensionszuschusskasse, in die er ein Leben lang einzahlte, hat er nie einen Pfennig gesehen. Er arbeitete dann noch 12 Jahre halbtags als Rechnungsführer in der örtlichen Kirchengemeinde. Dafür zahlte ihm die Kirche danach eine monatliche Zusatzrente von 12.- M. Das war in dieser Zeit kein Einzelschicksal.

    Das dunkle Kapitel

    Dieses dunkle Kapitel sind in doppelter Hinsicht die Konzentrationslager (KL). Zum einen dunkel, weil die Nazis die KL nie erwähnten und die Bevölkerung im Dunkeln ließen, was dort geschah. Aber dunkel blieb es auch nach Kriegsende: denn alle Vernichtungslager, wie jetzt gesagt wurde, befanden sich an Orten, die von der Roten Armee besetzt waren. Und da es schon bald nach dem Kriege Spannungen zwischen den Westalliierten und den Russen gab, war es wohl selbst für Amerikaner, Engländer und

    Franzosen, geschweige denn Deutsche schwierig oder unmöglich dort hin zu kommen und sich vor Ort zu informieren. Den Anfang der Vernichtung habe ich ja, wie oben beschrieben, in Minsk kennen gelernt! Aber an dem, was uns später erzählt wurde, habe ich immer noch meine Zweifel. 50 Jahre nach Kriegsende gab es eine Fernsehsendung, in der Zeitzeugen befragt wurden. Diese Sendung habe ich sehr aufmerksam verfolgt, aber die erwartete Klärung hat sie mir nicht gebracht.

    Zweifel

    Im Laufe der Jahrzehnte ist mir etwas aufgefallen, das grenzt für mich an ein biologisches Wunder: Je länger der Holocaust vorüber ist, desto mehr Überlebende tauchen auf. Und als ich durch Zufall eine Todesanzeige von Doctor Kingshill aus den Staaten las, bei der früher Dr. Königsberg, Frankfurt stand, habe ich mich gefragt, wo muss ich den einordnen? In der erwähnten Fernsehsendung fragte einer der beiden Moderatoren einen Bürger aus Weimar, was denn oben in Buchenwald auf dem Ettersberg geschehen sei? Der Mann sagte, dass er lediglich beobachtet habe, wie die Leute ziemlich brutal und mit Gewehrkolbenschlägen dahin hoch geprügelt worden seien. Der Moderator hat seine Frage zweimal wiederholt und zweimal dieselbe Antwort bekommen. Fur mich ein Zeichen von absoluter Weltfremdheit des Moderators. Wenn sich ein Bürger aus Weimar oben neugierig an den Zaun gestellt hätte, wie lange hätte es gedauert, bis ein Posten gekommen wäre, hätte den Bürger geschnappt und mitgenommen ins Lager? Da hätte er sehen können, was drin los ist und wäre für lange Zeit weg gewesen vom Fenster! Wenn man verstehen will, was damals passiert ist, muss man versuchen, sich in diese Zeit hineinzuversetzen! Und

    da fällt mir eine Erkenntnis ein, wenn ich mich recht entsinne, ist sie von einem Engländer

    Mut und Tapferkeit wachsen mit der Entfernung vom Problem!

    Wir sind heute so weit von dieser Zeit entfernt, da ist es leicht, den aufrechten Demokraten zu spielen, der sich gewehrt und das alles nicht mitgemacht hätte. Aber ich vermute, dass diejenigen, die heute den Mund weit aufreißen, damals zu mindest am Anfang am lautesten "Heil Hitler!" geschrieen hätten.

    Und noch etwas sollte man bedenken. Mit Beginn des Krieges bangten viele deutsche Familien um das Wohl und das Leben ihrer Angehörigen an der Front. Bald begannen die Luftangriffe auf Deutschland, und die Bevölkerung hatte selbst Angst, Hab und Gut oder gar das Leben zu verlieren. Die arbeitsfähigen Menschen war in der Rüstungsindustrie tätig. Nächtliche Bombenalarme raubten ihnen den Schlaf, sie waren schlecht ernährt, übermüdet und gereizt. Und da sollten sie etwa gegen die Vernichtungslager - nach dem Kriege KZ genannt - tun, die sie gar nicht kannten? Und wer wendet sich heute dagegen, dass deutsche Soldaten in Afghanistan ihr Leben lassen?

    Folgen

    Nach dem Kriege bin ich, wie später noch erwähnt wird, in den Schuldienst gestolpert. Da habe ich Berufschüler unterrichten müssen, die im Kriege wohl nur die Hälfte der erforderlichen Zeit in überfüllten Klassen auf der Schulbank gesessen hatten. Das drückte sich bei vielen in der Schrift aus. Heute könnte man darüber lachen, wenn es nicht so bitter gewesen wäre. Wir haben uns auch im Kollegium darüber unterhalten, um die Schriftbilder, die uns vorgelegt wurden, zu erkennen und richtig zu deuten. Ich entsinne mich noch auf zwei Beispiele. In einer Arbeit in Werkstoffkunde hatte ein Schüler geschrieben:

    "Alumilio e korofundo federn". Der Lehrer hatte ihm einen Punkt für die richtige Antwort gegeben; denn der Schüler hatte gemeint: "Aluminium ist korrosionsfest". Ein anderes Beispiel, es wurde in Teilen der Bevölkerung schon fast als Witz gehandelt: "Briefadsage". Als man mir dieses Wort vorlegte, habe ich zum Erstaunen der Anwesenden auf Grund meiner Erfahrung sofort gesagt: "Privatsache!" Unsere Regel hieß: "Augen zu machen, laut lesen und hören, wie es klingt." Es ist traurig, was der Krieg alles an Nachwehen hinterlassen hat, und woran heute kein Besserwisser denkt.

    Lieder

    Da fällt mir ein immer noch zeitgemäßes Landsknechtlied aus dem Mittelalter ein: "Wer jetzig Zeiten Leben will, muss haben ein tapfres Herze:" Dort heißt es im 2.Vers: "Geld nur allein regiert die Welt, dazu verhilft Betrügen, wer sich sonst noch so redlich hält, muss doch bald unterliegen. Rechtschaffen hin rechtschaffen her, das sind nur alte Geigen; Betrug, Gewalt und List vielmehr. Wehr dich, man wird dirs zeigen!"

    Und wir sind heute zu feig, das Lied zu singen, weil es angeblich oft von der Waffen-SS gesungen wurde. Was sind wir Deutsche doch für erbärmliche Schlappschwänze, die

    sich willig vorschreiben lassen, welche Lieder sie singen dürfen! Genauso frage ich mich, warum soll ich mein deutsches Vaterland nicht über alles in der Welt lieben dürfen? Dabei habe ich nicht die Absicht, diesen Vers zu singen. Ein Ausländer sieht das vielleicht anders.

    Aber mir ist ein russisches Lied bekannt, in dem es über die Sowjetunion in der Übersetzung heißt (Den Originaltext kenne ich nicht.): "Denn es gibt kein schönres Land auf Erden, wo so frei dem Mensch das Herze schlägt!" Und das zu Stalins Zeiten, aber darüber regt sich niemand auf.

    Klugheit

    Für die Aufsicht in Kriegsgefangenenlagern waren oft Reserveoffiziere veranwortlich. So war ein Kollege meines Vaters als Oberleutnant der Reserve Leiter eines Kriegsgefangenenlagers in Russland. Eines Tages kommt eine Delegation aus dem Nachbarort zu ihm und meldet, dass in ihrem Dorf ein zwölfjähriges Mädchen vermisst wird. Sie war zuletzt zusammen mit einem Usbeken aus dem Lager gesehen worden; und sie befürchteten das Schlimmste. Sie gehen gemeinsam an den Lagerplatz des Usbeken. Dort entdecken sie die Zöpfe des Mädchens. Jetzt könnte man

    natürlich, da der Fall offensichtlich klar ist, eine Ruck-Zuck-Entscheidung treffen. Das hat der deutsche Oberleutnant nicht getan. Er hat diesen Usbeken der Delegation mitgegeben, dass sie ihn nach Recht und Sitte des Landes aburteilen. Er hat nichts wieder von diesem Usbeken gehört oder gesehen.

    Nach dem Kriege wurden alle in der Sowjetischen Besatzungszone wohnenden ehemaligen Lagerleiter von der Roten Armee abgeholt. Dieser Oberleutnant kam nach kurzer Zeit zurück, bei den anderen dauerte es wesentlich länger.

    Der Freund meines Vaters

    Dieser Freund war entfernt in den Anschlag vom 20.Juli 1944 verwickelt. Und das kam so. Am 22.Juli kommt in seine Berliner Wohnung Oberbürgermeister Goerdeler von Leipzig. Sehr aufgebracht empfing er ihn mit den Worten: "Herr Oberbürgermeister, was wollen Sie denn hier? Wären Sie doch in die Schwedische Botschaft gegangen! Dazu ist es natürlich jetzt zu spät; denn die wird bestimmt beobachtet!" Er erzählte uns, dass Herr Goerdeler ein ausgezeichneter Verwaltungsfachmann war, aber im praktischen Leben fand er sich nicht so gut zurecht. Er versuchte dann an der Ostseeküste jemand zu finden, der ihn nach Schweden bringen könnte, wurde vorher aber festgenommen. Und bei seinen Vernehmungen hat sich herausgestellt, dass er sich auch bei dem Freunde aufgehalten hatte. Und der wiederum hatte sich "schuldig" gemacht, weil er ihn nicht angezeigt hatte. Er wurde verhaftet und zum Tode verurteilt. Dass er überlebt hat, verdankt er der Tatsache, dass die Rote Armee schneller nach Brandenburg gekommen ist, als die Nazis mit den Hinrichtungen fertig geworden sind.

    Später hat er im "Morgen", dem Organ der LDPD (Liberaldemokratische Partei Deutschlands) in der SBZ (Sowjetischen Besatzungszone) einen Artikel verfasst mit der Überschrift: "Der größte Judas der Weltgeschichte war ein Weib". Das hat er bald sehr bereut, als er der Verhandlung gegen die Nachrichtenhelferin (NH) Helene Schwärzel beigewohnt hat. Sie war im Zivilberuf auf einem kleinen Bahnhof in Ostpreußen angestellt. Dahin kamen des öfteren hochgestellte Persönlichkeiten aus dem Reich zum Golfspielen darunter auch Goerdeler. Er fiel auf;

    denn er war sehr groß und hatte sehr weit abstehende Ohren. Und so kannte sie ihn. Sie saß mit einer Freundin in einem Lokal, als die Tür aufgeht, und Goerdeler kommt herein. Sofort erkennt sie, wer da kommt, beugt sich zu ihrer Freundin, sagt ihr, wer das ist, und die schaut prompt zu ihm bin. Goerdeler merkt, dass er erkannt ist, und verschwindet sofort wieder aus dem Lokal. Das alles hat ein Feldwebel beobachtet, erkundigt sich bei den Nachrichtenhelferinnen, geht dem Goerdeler nach und nimmt ihn fest.

    Was die Schwärzel getan hat, nennt man Mitteilungsbedürfnis, sie hatte das Bedürfnis ihrer Kameradin mitzuteilen, wer da kommt. Und das ist nicht strafbar! Weder die Schwärzel, noch ihre Kameradin haben Goerdeler etwas getan. Natürlich hat die Nazi-Propaganda die Wachsamkeit der Nachrichtenhelferinnen groß herausgestellt. Der Feldwebel hat sich zurückgehalten, damit er später nicht als Verräter hingestellt wird. Es wäre notwendig gewesen, im MORGEN einen Gegenartikel wegen des "größten Judas" zu schreiben und sich zu entschuldigen. Mir ist nicht bekannt, ob das geschehen ist.

    Zwei Legislaturperioden lang war der Freund Volkskammerabgeordneter in der DDR. Danach war er noch mal bei uns. Meine Mutter hat ihn gefragt, da er sich doch jahrzehntelang im politischen Leben herumgetrieben hat, was man denn erreichen könne? Nach kurzem Überlegen meinte er: "Seinem Nächsten und sich selbst das Leben so angenehm wie möglich machen, vielleicht strahlt das aus!"

    Das ist ein Grundsatz, nach dem sich jeder richten sollte. Für einen Politiker ist es mir zu wenig.

    Die andere Seite

    Ein entfemter Verwandter von mir war vor dem 2. Weltkrieg Elektroingenieur bei einer namhaften Firma in Süddeutschland. Er besuchte uns mit seiner Frau in dieser Zeit einmal, dabei sagte er über seine Arbeit: "Die nächste Seeschlacht entscheiden die ersten drei Schüsse, und die haben wir"! Als er nach dem Kriege, die Familie wohnte inzwischen in Berlin, nach Hause zurückkam, wurde er von seinen Nachbam gewarnt, er würde polizeilich gesucht, da sollte er doch besser untertauchen. Er hat aber gemeint, er habe sich nichts zu schulden kommen lassen. Stattdessen ging er selbst zur Polizei, um sich anzumelden. Er kam nicht wieder. Seine Familie wusste über mehrere Jahre nicht, was mit ihm geschehen ist.

    Zunächst kam er nach Sachsenhausen bei Oranienburg. Dort hatten die Nazis ein KL. Dieses Lager wurde von den Russen übernommen. Der Unterschied zwischen dem Nazilager und dem der Russen soll darin bestanden haben, dass bei den Nazis noch Stroh auf den Pritschen lag. Bei den Russen lagen die Insassen auf den blanken Brettern. Es soll auch einen Häftling gegeben haben, der schon bei den Nazis im Lager war, irgendeinen Verwandten von Göring.

    Mein Verwandter konnte sich um die Elektrik der sowjetischen Fahrzeuge kümmem und hatte dadurch kleine Vorteile. Eines Tages wurde er mit einem Gefangenentransport nach Russland gebracht. Sie waren mehrere Tage mit 40 Mann im geschlossenen Güterwagen unterwegs. Da es kein Klo gab, haben sie notgedrungen alles unter sich machen müssen. In Moskau wurden sie aus dem Zug genommen. Es war eine sowjetische Delegation auf dem Bahnsteig, um die deutschen Wissenschaftler zu begrüßen. Mein Verwandter: "Und da standen wir verschissenen Gestalten!"

    Ihre Behandlung hat sich dann schlagartig geändert. Der Auftrag, den er bekam, lautete: Wenn wir ein Ziel erfasst haben, und das Ziel bewegt sich, können wir dem folgen. Bewegen wir uns selbst aber auch, kommen wir nicht mehr nach! Ich sehe hier die Verbindung zu der oben erwähnten Seeschlacht. Nach etwa fünf Jahren bekam die Frau erstmals Post von ihrem Mann. Und in dem Brief stand: "Wann hast Du denn die Kinder taufen lassen?" Daraus war zu erkennen, dass die Frau beobachtet wurde. Von dem Zeitpunkt an bekam sie auch eine recht ordentliche finanzielle Unterstützung. Einige Passagen aus weiteren Briefen sind mir noch erinnerlich z.B.: Gestern war ich in der Stadt, um mir einen Anzug zu kaufen. Ich bin wiedergekommen mit einem Handwagen! Für Nichtkenner übersetzt: Anzüge gab es nicht, aber es gab gerade einmal Handwagen.

    Während seines Aufenthaltes hat er

    auch begonnen, altdeutsche Briefmarken zu sammeln. Sicher gab es einige Aristokraten, die am Hungertuche nagten, früher Briefmarken gesammelt hatten und sie jetzt verkauften. Dann teilte er seiner Frau mit, dass er Stalinpreisträger geworden ist. Und der Schwiegervater schloss daraus: Wenn er nicht Stalinfriedenspreisträger geworden ist, muss seine Leistung wohl im militärischen Bereich liegen. Von da an bekam seine Frau eine finanzielle Unterstützung, die sie veranlasst hat, ein Haus zu bauen, damit sie nicht leichtsinnig mit dem Geld umgeht.

    Selbstverständlich sind die deutschen Wissenschaftler gelegentlich bei den Russen vorstellig geworden, um bestimmte Regelungen zu treffen. Es ist immer eine Dreimanndelegation gegangen, aber jedes Mal drei andere. Wenn einer zweimal dabei gewesen wäre, hätte es ja sofort heißen können: Aha, das ist der Rädelsführer! Natürlich haben die Wissenschaftler Radio gehört. Die Apparate hatten sie sich selbst gebastelt. Sie wussten von Adenauers Vorstoß, endlich die deutschen Kriegsgefangenen zu entlassen. Also hat sich wieder eine Dreimanndelegation - dieses Mal einer davon mein Verwandter - zu den Russen begeben. Da wurden sie aufgefordert, sich für noch weitere fünf Jahre Arbeit in der Sowjetunion zu verpflichten. Daraufhin hat mein Verwandter gesagt: "Ich bin bereit noch fünf Jahre hier zu bleiben, wenn mir meine Regierung den Auftrag dazu erteilt!" Und so haben sie erstmals Kontakt zur Regierung der DDR bekommen.

    Als dann eine Abordnung gekommen ist, hat einer der drei Wissenschaftler, selbstverständlich wieder drei andere, den Mut oder die Frechheit besessen, unter Hinweis auf die sowjetischen Vertreter zu sagen: "Schauen Sie sich doch diese Fratzen an, da haben Sie das ganze System!" Dem Mann ist nichts geschehen, und die Rückkehr der Wissenschaftler wurde eingeleitet. Allerdings kamen sie erst noch für ein Jahr in Quarantäne nach Sotschi ans Schwarze Meer, wo sie sich sehr wohl gefühlt haben. Aber sie wussten nicht, wie ihre Arbeit weiterentwickelt wurde.

    Und als sie dann heimreisen durften, hatten es manche gar nicht so eilig. Seine Briefmarkensammlung hat er mitnehmen und nutzen können. Mir hat er einmal seine Bedenken anvertraut, ob er Skrupel haben müsste, weil er den Russen so geholfen hat. Aber wenn er es nicht getan hätte, da hätte es ein anderer gemacht. Er hat versucht, jemand zu finden, der seine Erlebnisse niederschreibt, weil er meinte, das sei nötig. Aber in der DDR war das natürlich schwierig. Ich habe hier versucht, ein wenig davon ihm zu Ehren nachzuholen.

    Leistung

    Kurz nach dem Kriege bestellten die Sowjets in der DDR zwei große Zahnradfräsmaschinen für die Übersetzung der Drehzahl von Schiffsdieselmotoren zur Schraubenwelle. Das geschah zu einer Zeit, wo die meisten Fabriken so zerstört waren, dass sie kaum produzieren konnten. Und es war eine schwierige Aufgabe zu versuchen, den Auftrag zu erfüllen. Die großen Gussstücke, Bett und Ständer mussten im Zementgussverfahren hergestellt werden. Sie mussten ja tief im Gießereiboden eingeformt werden. Beim Gießen musste die Sandform dem hohem Druck des eingegossenen Gusseisens widerstehen. Die Facharbeiter, die das Zementgussverfahren beherrschten, gab es nur in Chemnitz. Also wurden die Teile dort gegossen. Hobelmaschinen und Karusselldrehmaschinen für die mechanische Bearbeitung so großer Gussstücke gab es nur noch in Aschersieben. Deshalb gingen sie mit der Bahn

    dorthin. Um die fertige Maschine zu heben, brauchte man einen 50 t - Kran. Und den gab es nur noch in Aue. Also erfolgte der Zusammenbau dort. Für die Gleitbahnen gab es keine Schleifmaschinen, sie mussten von Hand geschabt werden.

    Als die Russen die Maschinen abgenommen haben, und die sind da nicht nur sehr kritisch, sondern pingelig, stellten sie fest, das der große Tisch auf zwei Strich genau rund lief. Zwei Strich heißt zwei Hundertstel Millimeter. Da haben die Russen ihre Messgeräte eingepackt und sind nach Jena zu Zeiß gefahren, um überprüfen zu lassen, ob ihre Geräte richtig anzeigen? Sie zeigten richtig an! Woraus man erkennen kann, die Facharbeiter der DDR konnten arbeiten.
    Der für den Bau dieser Fräsmaschinen verantwortliche Ingenieur - wir waren miteinander bekannt - erhielt dafür den Nationalpreis der DDR.

    Kurzschlusshandlung

    In welchem Jahre es geschehen ist, weiß ich nicht mehr, jedenfalls war es noch vor 1969. Da hat sich der damalige DDR-Wirtschaftsminister Rau, wie die Zeitung NEUES DEUTSCHLAND meldete, in einer Kurzschlusshandlung selbst mit seiner Dienstpistole erschossen. Tatsächlich geschah das zwei Tage, bevor er einen Wirtschaftsvertrag mit der Sowjetunion unterschreiben sollte. Es sollten 45% der DDR-Produktion an die UdSSR geliefert werden. Dagegen wäre nichts einzuwenden gewesen. Aber die Sowjets bestimmten die Preise! Mir ist bekannt, dass ein elektro-medizinisches Gerät im Erzgebirge zu einem Preise von etwa 1200.-M hergestellt wurde. Dieser Preis musste von allen Abnehmern bezahlt werden. Nicht so von den Sowjets, die zahlten nur ungefähr 900.- M. Und wenn die DDR für 45% ihrer Produkte nur 75% des Wertes der Ware vergütet bekam, konnte sie wirtschaftlich nie auf einen grünen Zweig kommen. Das konnte dieser Wirtschaftsminister nicht verantworten. Er

    hatte noch Charakter!

    Etwas später bekam die Lokomotivbauanstalt in Hennigsdorf den Auftrag, zwei elektrische Güterzuglokomotiven nach entsprechenden Vorgaben für die Sowjetunion zu bauen. Sie wurden konstruiert, gefertigt und geliefert. Die SU war mit den Maschinen zufrieden und bestellte 20 weitere. Also wurde noch eine Technologie für die wirtschaftliche Fertigung entwickelt. Nachdem diesei Auftrag erledigt war, stellte die SU fest, sie brauche so viele von dieser Maschinen, dass sie diese selbst fertigen wollten. Sie nahmen die Konstruktion und die Technologie mit. Das alles nennt sich dann deutsch-sowjetische Freundschaft. Als in Hennigsdorf die Zeit hätte beginnen können, wo sich mit der Lieferung größerer Aufträge die Kosten für Konstruktion und Technologie hätten amortisieren können, blieben diese Aufträge aus. Wer also der Meinung ist, die DDR hatte nicht wirtschaften können, sie "konnte" es wirklich nicht!

    Planwirtschaft der DDR

    In Fragen der Ökonomie hatte die Partei (SED), die ja letztlich alles bestimmte, recht eigenartige Ansichten. So galt: "Was alle brauchen, muss billig sein!" Das kann man vielleicht beim Brot noch verstehen, doch war dadurch die Achtung vor dem täglichen Brot nicht hoch, also wurde es auch zum Füttern von Kleintieren verwendet. Es war ja billiger als Körner, die sowieso kaum zu beschaffen waren.

    Alle brauchten auch elektrischen Strom, deshalb kostete die Kilowattstunde 8 Pfennig! Wer sollte da auf den Gedanken kommen, Strom zu sparen? Bei einem Besuch in der Tschechoslowakei fand ich im Hotelzimmer zwei Lampen vor. Wenn man einschaltete, brannte die Raumbeleuchtung. Schaltete man weiter, brannte die Lampe über dem Waschbecken. In der nächsten Schalterstellung waren die Lampen aus. Die Schaltstellung, dass beide Lampen zugleich brannten, gab es nicht. Der Strom war teuer! Entsprechend waren Kühlschränke und Waschmaschinen keine Mangelware, wie in der DDR. Sie standen in den Geschäften herum; denn ihre Verwendung im Haushalt kostete viel Geld.

    Öffentliche Nahverkehrsmittel brauchten in der DDR auch alle. Demzufolge kostete die Straßenbahnfahrt in Chemnitz ohne Rücksicht auf die Lange der Strecke 15 Pfg. Die längste Strecke führte vom Zeisigwald durch die Innenstadt und die früher einmal selbständigen Orte Schönau und Siegmar üher 12 km bis nach Reichenbrand! Ich selbst fuhr mit der Reichsbahn 9 km zur Schule. Die Wochenkarte, mit der ich täglich so oft fahren konnte, wie ich wollte, kostete 1,60 M.

    Wasser brauchte auch jeder. Den Preis dafürr weiß ich nicht mehr, er war so gering, dass ihn keiner beachtete. Und wenn die Dichtung im Spülkasten nicht dicht war und ständig ein Rinnsal Wasser durch das Klo lief, interessierte das niemand. Ähnliches galt für Heizung in den Plattenbauten. Die Wärme kam aus zentralen Heizkraftwerken. Wenn es am Heizkörper schon ein Ventil gab, stand es immer offen. Man zahlte ja Warmmiete. Die Temperaturregelung erfolgte über die Fenster. Und 1.- M Miete pro Quadratmeter war kein Preis, für den man ein Haus hätte instand halten können. Das erklärt den Zustand der Häuser am Ende der DDR.

    Über soviel ökonomischen Unfug kann man nur den Kopf schütteln. Und wenn man sich kritisch dazu äußerte, hatte man gleich ein Hakchen mehr hinter seinem Namen! Nun fragt sich sicher mancher, wie denn der gesamte Unfug bezahlt wurde? Da gab es sogenannte Luxusartikel, zu denen zählten Autos, Motorräder, Farbfernsehgeräte, für die weit überhöhte Preise verlangt wurden. Für elegante Kleider aus den "exquisit"- Läden und für Feinkost aus dem "delikat" -Geschäften dienten die höheren Preise ebenfalls der Abschöpfung der überschüssigen Kaufkraft und dem Ausgleich des Preises anderer Waren.

    Die Lehrausbilder in der DDR haben festgestellt, dass ihre Lehrlinge im ersten Ausbildungsjahr in Ordnung sind. Im zweiten Jahr, wenn sie vor Ort in den Betrieb kommen, werden sie "verdorben". Mit anderen Worten: im ersten Lehrjahr haben sie die schönen Verse geglaubt, die ihnen die Ausbilder erzählt haben. Im Betrieb haben sie festgestellt, dass in der Planwirtschaft zwischen Wunsch und Wirklichkeit manche Lücke klafft.
    Ich selbst war zu einem mehrmonatigen Vorbereitungslehrgang auf das Fach Betriebsökonomie in Leipzig. Fast jede Woche fand eine Betriebsbesichtigung statt, und dort bekamen wir sinngemäß jedes Mal eine Ohrfeige für das, was man uns in der Theorie brav vorgegaukelt hatte.

    So benötigte das Gaswerk Leipzig täglich 30 Wagen Kohle. Und die bekam es auch. Die Kohle kam einmal aus dem Zwickauer Revier, einmal aus Lugau Oelsnitz, einmal aus Freital oder aus der CSSR, aus Polen oder der Sowjetunion und von dort jeweils aus verschiedenen Revieren. Das Gaswerk hatte natürlich ein Plansoll an Gas, Teer, Koks und Benzol. Dabei ist jede Kohle anders, die eine ist eine gute Gaskohle, die andere eine gute Koks- oder Teerkohle. Sobald der Zug in das Werk rollte, sprangen die Laboranten auf die Wagen, schnappten sich ein paar Kohlebrocken, um analysieren zu können, welche Art Kohle diesmal angeliefert wurde. Und dann musste der Produktionsprozess mit viel Geschick so gesteuert werden, dass am Ende das geforderte Tagessoll erfüllt werden konnte. Und dieses Spiel wiederholte sich täglich!

    Im Reifenwerk Riesa war es ähnlich. Für die Produktion wurde Buna (Kunstkautschuk), Naturkautschuk und in kleinen Mengen neben Ruß noch Kolophonium, Stearinsäure und Schwefel benötigt. Das einzige, was beständig in gleicher Qualität vorlag, war der Buna. Naturkautschuk kam aus Ceylon, Guinea u.a. An Ruß gab es DDR-Ruß, polnischen Ruß, der besser war, und englischen Ruß, der war der beste. Auch die anderen Zutaten wechselten in der Qualität ständig. Die kleinen Mengen Beimischungen wurden pro Charge auf Apothekerwaagen abgewogen, was eine Vorstellung davon gibt, mit welcher Genauigkeit gearbeitet werden musste. Bei ständig wechselnden Ausgangsstoffen war es ein Lotteriespiel, welche Qualität ein Reifen erreichen konnte. Deshalb war in der DDR aus Sicherheitsgründen die Höchstgeschwindigkeit für Omnibusse auf 70 km/h beschränkt.

    Dem gegenüber waren die Sorgen der Radeberger Exportbierbrauerei schon kleine Fische. Um die Prozesswärme zu erzeugen, wurden Brikett benötigt, und zwar Eierbrikett. Unter dem Werkhof war ein Förderband installiert, auf dem das Heizmaterial zum Kessel befördert wurde. Das Gitter über dem Schacht war einerseits so grob, dass Eierbrikett durchfallen konnten, andererseits noch so eng, dass Fahrzeuge darüber fahren konnten. Aber nach dem Motto: Brikett = Brikett wurden oftmals lange Brikett geliefert, und die mussten dann von Hand geschaufelt werden. - Für den Abtransport des Bieres wurden bei der Reichsbahn Wagen für 7 Uhr geordert. Die standen aber nachts um 2 schon auf dem Werksgelände. Vier Stunden Ladezeit waren frei, danach kostete es Standgebühr. Man könnte fast meinen, die DB lässt grüßen.

    DKK Scharfenstein hatte einen jungen mutigen Werkleiter, der den Betrieb für die Herstellung von 3 Millionen Kühlschränken pro Jahr ausbauen wollte. Das wurde ihm von der Planungskommission nicht gestattet, weil das doch für 17 Millionen DDR-Bürger viel zu viel seien. Er musste den Ausbau des Werkes auf eine Jahresleistungsfähigkeit von 1 Million Stück begrenzen. Dann bestellten die Russen zum Testen je 1000 Kühlschränke in der Tschechei, bei Nordstern und bei DKK. Ihre Wahl fiel danach auf den Kühlschrank von DKK. Die gesamte Produktion ging von da an praktisch in die UdSSR, bis auf einen geringen Anteil, der unter dem Logo "Privileg" an westdeutsche Versandhäuser exportiert wurde. Für DDR-Bürger gab es keinen Kühlschrank aus Scharfenstein mehr!

    Fast in jeder Ausgabe der DDR-Zeitschrift "Kultur im Heim" war über einen längeren Zeitraum eine knapp 50 cm hohe Porzellanfigur "Tänzerin in Ausgangsstellung" auf einem Kaminsims, einer Vitrine oder einem Sideboard zu sehen. Für diese Figur interessierten wir uns. Bei einer Nachfrage im Fachgeschäft sagte mir die Leiterin: "Ja, ich weiß, was Sie meinen!" und nannte mir den Herstellungsbetrieb. "Ich komme demnächst zur Messe, da werde ich mich erkundigen!" Ich habe mich artig bedankt und mir gedacht: Zur Messe komme ich ja selbst! Und dort standen tatsächlich Kunst und Kitsch in ein und demselben Raum einträchtig beieinander, und die gewünschte Figur war dabei. Das Gespräch ergab, dass alle Waren über den Handel zu beziehen seien. Der Betrieb habe ein Soll von 31 Figuren im Monat. Das sei natürlich für Export und DDR eine bescheidene Produktionszahl. Ich habe noch einmal nachgehakt und erfuhr: Fehlerhafte, wertgeminderte Ware könne der Betrieb direkt verkaufen. "Was sind denn das für Fehler?" "Ach, das ist ganz unbedeutend, das sieht man kaum!" Also habe ich meine Anschrift dort gelassen. - Wir waren noch nicht darauf gefasst, so schnell kam ein Paket bei uns an. Statt des Ladenpreises von 106.- M für die Figur ganze 90.- M. Und dann haben wir den "Fehler" gesucht! Von dem Ladenpreis bekommt der Betrieb weniger Erlös, als wenn er die "fehlerhafte" Ware selbst verkauft. Und wenn er mehr als 31 Stück offiziell liefert, wird sein Soll erhöht. Also bleibt nur eine Möglichkeit: Die Mehrproduktion hat "Fehler". Und so blüht mitten im Sozialismus der Kapitalismus!

    Neben diesen Blüten staatlicher Planwirtschaft hatte die DDR aber auch Erfolge aufzuweisen, die selbst von Kennern in der Bundesrepublik geschätzt werden. So hatte die DR (Deutsche Reichsbahn) unter ihren Elektrischen Lokomotiven über 200 Maschinen der Baureihe 143. Rein äußerlich sind das rechteckige Kästen und nicht gerade ein Muster von Eleganz. Dennoch laufen diese Maschinen heute ausnahmslos alle in den alten Bundesländern! Und das hat drei Gründe:

    1. Diese Lokomotive ist in enger Zusammenarbeit von Lokomotivführem und Konstrukteuren entstanden. Der Arbeitsplatz im Führerhaus ist von der ergonomischen Gestaltung her das beste, was man sich denken kann. Es beginnt mit der bequemen Sitzposition und reicht bis zur Anordnung von Schaltern, Hebeln, Kurbeln und Kontrollgeräten bis zur Halterung von Fahr- oder Streckenplänen. Alles ist an der Stelle, wo man es erwartet und wo man es bequem einsehen oder erreichen kann.
    2. Das Führerhaus ist voll klimatisiert. Da zieht es nicht durch alle Ritzen, wie bei anderen Maschinen, auf denen man sich den Rheumatismus holen kann.
    3. Diese E-Lok ist die einzige Maschine, die in der Lage ist, einen Dreiwagenzug innerhalb von 23 sek aus dem Stand auf 100 km/h Geschwindigkeit zu beschleunigen. Damit kann sie auf Strecken mit vielen Haltestationen manche Verspätung aufholen.

    Es ist logisch, dass diese Maschine im Westen begehrt ist. Ein anderes Beispiel sind die Züge mit Doppelstockwagen, die jetzt im Großraum Frankfurt/M und im Großraum München laufen. Sie bekommen nur gute Kritiken; denn sie sind die fünfte Generation dieser Konstruktion, da sind keine Kinderkrankheiten mehr drin. Und der Lokführer, der erstmals einen dieser Leichtbauzüge am Haken hat, schaut sich in der ersten Kurve um, ob alle Wagen angehängt sind!

    Westliche Unternehmer, die sich nach der Wende für einen Betrieb in Mitteldeutschland interessiert haben, urteilten: "Beim Anblick dieses Betriebes sind wir erschrocken!" Und niemand hat gefragt: "Weshalb oder wovor?" Chemnitz hatte das Fritz-Heckert-Werk, hervorgegangen aus den Wanderer-Werken, die manchem älteren Ingenieur noch ein Begriff sein dürften. Dieses Werk galt bis zur Wiedervereinigung europaweit!!! als modernster Betrieb zur Herstellung von Werkzeugmaschinen! Dass da westliche Interessenten erschrocken sind, welch leistungsfähiger Konkurrent da steht, ist leicht verständlich. In den Augen der DDR-Bürger geschah das dann so:

    1. Den "maroden" Betrieb für 1.- DM übernehmen.
    2. Kundenkartei mitnehmen.
    3. Die Auslandsmonteure erfassen, welche die Sprachen des Ostens sprechen.
    4. Den vorhandenen Maschinenpark plündern und auf dem Weltmarkt verschleudern.
    5. Millionen an Fördergeldern einstreichen.
    6. Mit tiefstem Bedauern feststellen, dass es trotz intensivster Bemühungen leider nicht möglich war, den Betrieb zu retten.

    So haben es die DDR-Bürger gesehen. Ich komme später noch einmal darauf zurück.

    Förderung der Jugend

    Auf einem kleinen Dorf in Thüringen wohnte eine Schwägerin von mir mit ihrer Familie. Von den drei Söhnen war der älteste Zimmermann, der zweite Landmaschinenschlosser, der jüngste, ein sehr intelligenter Junge, besuchte die EOS (Erweiterte OberSchule, sinngemäß Gymnasium) mit dem Ziel Tierarzt zu werden. Die Eltern hatten einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb und dieser Junge verstand sich hervorragend mit Tieren. Der Landmaschinenschlosser träumte von Lanz-Bulldogs und ging nach dem Westen, um bei der Firma Lanz zu arbeiten. Da er dort gut ankam, ging der Zimmermann hinterher. Der jüngste flog daraufhin von der EOS, statt Tierarzt wurde er Busfahrer.
    Eine andere

    Verwandte hatte ebenfalls einen sehr intelligenten Jungen, so dass sogar die Lehrer gesagt haben, der Junge muss auf die EOS. Er kam aber nicht dorthin. Als sich die Mutter nach dem Grund erkundigte, wurde ihr in der üblichen überheblichen Art gesagt: Sie solle sich einmal überlegen, welchen Fehler sie gemacht habe! Sie hat sich dann im Verwandten- und Bekanntenkreise umgehört, und jemand fand die Lösung,. Sie hatte ihren Sohn konfirmieren und nicht jugendweihen lassen. Und anfangs war die Kirche sehr konsequent: Entweder Konfirmation oder Jugendweihe. Jahre später gab sie nach, um den Jugendlichen nicht zu schaden und konfirmierte ein Jahr nach der Jugendweihe.

    Persönliches

    Als ich zehn Jahre alt war, standen meine Eltern vor dem Problem: Was wird aus dem Jungen, auf welche Schule sollen wir ihn schicken? Dieses Problem besteht auch heute noch für viele Eltern. Mein Vater entschied sich für das Staatsgymnasium in Chemnitz; denn er meinte, von da aus könnte ich überall hin.

    Es hat sich bald herausgestellt, dass Latein und Griechisch durchaus nicht die Fächer waren, die mich vom Stuhle gerissen hätten. Entsprechend waren die Leistungen. Ich hatte Bedenken, überhaupt das Abitur zu schaffen. Hinzu kam, dass in mir die Vorstellung reifte, Ingenieur zu werden. So habe ich darauf gedrungen, mit Obersekundareife das Gymnasium zu verlassen und einen praktische Beruf anzustreben. Eine Stelle für zwei Jahre als Volontär fand ich in Chemnitz nicht. Wahrscheinlich hatten die Betriebe schlechte Erfahrungen mit diesen Schnöseln gemacht, die mehr mit den weiblichen Betriebsangehörigen geflirtet haben, als sich für die Technologie im Betrieb zu interessieren.

    Nur ein Betrieb war bereit, mich mit einem 3-Jahre Lehrvertrag als Maschinenschlosser einzustellen, bot mir aber wegen meines höheren Berufszieles einen besonderen Ausbildungsweg an. Ein halbes Jahr Lehrwerkstatt, um zu lernen einen geraden Strich zu feilen. Danach drei Wochen Dreherei, drei Wochen Fräserei, zwei Wochen Hobelei, je eine Woche Schmiede, Härterei, Klempnerei,

    ein Viertel Jahr Gießerei. Da der Betrieb keine eigene Gießerei besaß, wurde ich in eine der Zuliefergießereien versetzt - es war diejenige, die den besten Guss lieferte - und ich habe dort sehr viel gelernt!

    Dann kamen Vormontage, Fertigmontage, Betriebsleitung (wo ich am schlechtesten, sprich überhaupt nicht betreut wurde), Konstruktionsbüro und am Ende noch mal kurz in die Lehrwerkstatt, um die geraden Strichfeilqualitäten aufzufrischen. Dann bestand ich die Prüfung mit dem Vermerk im Facharbeiterbrief "Lobende Anerkennung", worauf ich etwas stolz war. Und da waren wir bereits im Krieg. Darüber habe ich schon einiges geschrieben.

    Auf dem Rückzug konnten wir uns noch nach Dänemark absetzen und lebten dort mit verlogenem Galgenhumor nach dem Motto: Genieße die Tage des Krieges, der Frieden wird grausam!

    Wir kamen in englische Kriegsgefangenschaft, bald begannen die Entlassungen in die englische, die amerikanische und die französische Besatzungszone, nicht in die sowjetische. Ein Staffelkamerad aus Württemberg sagte mir: "Schreib Dir eine Frau ins Soldbuch, Du kommst mit zu mir!" Ich hab ihn gefragt, wie die Frau heißt, hab sie eingeschrieben und wurde Ende Juni 1945 nach Leonberg, Ortsteil Eltingen, bei Stuttgart entlassen. Kurz vor Weihnachten bin ich schwarz über die Grenze nach Hause.

    Beruf

    Studieren konnte ich nicht; denn das Spargeld war eingefroren. Sowohl mein Vater als auch meine Schwester waren aus dem Amt geflogen, weil sie einen braunen Fleck auf der Weste hatten; die Russen waren da sehr streng. Ich hatte zwar auch diesen braunen Fleck, aber da ich an keiner Wahl für Hitler teilgenommen hatte, fiel ich unter die Amnestie. Ich hatte mich zwar in der NSDAP angemeldet, aber als Lehrling brauchte ich keinen Parteibeitrag zu zahlen und anschließend als Soldat auch nicht. Ein Parteibuch habe ich nie besessen, aber ich bekenne mich dazu, dass ich Mitglied gewesen bin. In meinem Lehrbetrieb gab es keine Arbeit. Da kam der neue Schulleiter unseres Ortes, der gesamte "braune" Lehrkörper war ja entlassen worden, und suchte mich als Volksschullehrer zu gewinnen. Ich habe mir aber gedacht, bevor du dich mit den kleinen Würstchen herumärgerst, versuchst du es einmal an der Industrieschule in Chemnitz. Bedingung für eine Einstellung war eine abgeschlossene Berufsausbildung. Und so bin ich in den Lehrberuf gestolpert, in dem ich mich ein Leben lang sehr wohl gefühlt habe. Der Schulleiter empfahl mir, einer politischen Partei beizutreten, möglichst natürlich entsprechend der Schule einer Arbeiterpartei. Ich trat aber der Liberaldemokratische Partei Deutschlands (LDPD) bei.

    Jetzt kommt der Abschnitt Eigenlob stinkt. Das muss ich aber anführen wegen dem, was später noch erwähnt wird. Und so behaupte ich, dass ich kein Durchschnittslehrer war; denn sobald ich mir den gesamten Lehrstoff erarbeitet hatte, den ich vermitteln musste, habe ich begonnen an Lehrmitteln zu arbeiten. Dazu hatte ich die Einfälle, die kommen einem ja im Unterricht, und ich hatte in der Schule und in bescheidenem Rahmen auch zu Hause die Möglichkeit einiges umzusetzen. Es begann mit Anschauungstafeln, die in der Schule im Lichtpausverfahren hergestellt werden konnten. Sie wurden von unserem Sammlungsverwalter auf Leinwand aufgezogen und danach farbig angelegt. Kurz vor Ende meiner Tätigkeit in Chemnitz habe ich einmal gezählt, da waren es 123 Tafeln. Einige davon hat der Volk und Wissen Verlag (VWV) übemommen. Flachmodelle aus Sperrholz habe ich zu Hause gefertigt. Andere Modelle sind

    in der Schulwerkstatt oder in den Betrieben, aus denen unsere Schüler kamen, entstanden.

    Um mich weiterzubilden, habe ich viele meiner Schüler an ihrem Arbeitplatz besucht und oft technologische Sammlungen mitgebracht. So aus einer Schmiede Ausgangsmaterial, vorgeschmiedetes Teil, die im Gesenk geschlagene Kurbelwellenwange mit und ohne Grat. Und aus dem Motorenwerk der Weiterbearbeitung alle nötigen Teile bis zur kompletten Kurbelwelle. Das ist nur einmal ein Beispiel. Auf Grund meiner Aktivitäten wurde ich aufgefordert ein kleines Heft über die Selbstanfertigung von Lehrmitteln zu schreiben, das bei VWV erschien. Später kamen für den Unterricht sogenannte Arbeitsblätter auf. Und da ich auf diesem Gebiete auch recht aktiv war, wurde ich aufgefordert, darüber etwas zu schreiben. So erschienen beim Verlag Technik in Leipzig von mir Ausgewählte Arbeitsblätter für Metallberufe, Schülerheft und Lehrerheft, Das ist mir alles leicht von der Hand gegangen und es war auch ein Stück meiner Zufriedenheit mit meinem Beruf.

    Man sagt ja den unter dem Sternzeichen Zwillinge geborenen nach, dass sie Einfälle hätten. So habe ich manches gesellige Beisammensein des Kollegiums und bestimmte Weiterbildungsveranstaltungen mit gestaltet.
    Früher gehörte es zur Ausbildung eines Ingenieurs, dass er die Bücher von Henry Ford "Das große Heute, das größere Morgen" und "Mein Leben und Werk" gelesen hat. Ich habe sie mir von einem älteren Ingenieur ausgeliehen und mit Interesse gelesen. Nur zwei Passagen daraus will ich hier anführen:

    1. "Der engstirnige Kapitalist und der engstirnige Gewerkschaftler haben genau die gleiche Anschauung von einem Geschäft - nur darin gehen die Meinungen auseinander, wer die Beute bekommen soll?"
    2. "Sobald man die Industrie als eine Geldheckmaschine für eine bestimmte Klasse auffasst und nicht als ein Instrument, um für alle Menschen Güter zu schaffen, werden die Bedingungen verwirrt, und häufig folgt der Zusammenbruch."

    Das sind Erkenntnisse, die vielen, die heute in der Wirtschaft tätig sind - ich sage absichtlich nicht: Verantwortung tragen - offensichtlich fehlen.

    DDR -"Demokratie"

    Als es zu den ersten Wahlen in der DDR kam, haben wir von der LDPD Plakate geklebt. Spätestens nach zwei Tagen, waren all unsere Plakate von roten Plakaten überklebt. Wir hatten aber keine mehr zur Verfügung. Hinterher haben wir uns gesagt, wir hätten sie Geschäftsleuten anbieten sollen, die sie von innen an ihre Schaufensterscheiben kleben. Aber dafür fehlte es uns an jeglicher Erfahrung. Das Wahlergebnis in Sachsen diente lange Zeit in der Sowjetischen Besatzungszone und noch in der DDR als Verteilerschlüssel für öffentliche Ämter und für Auszeichnungen. Sachsen hatte man deshalb ausgewählt, weil es dort viel Arbeiter gab und viele Stimmen auf die Arbeiterparteien fielen.

    Für spätere Wahlen gab es die Einheitslisten der Nationalen Front. In der Versammlung in unserem Wahlkreis habe ich der Einheitsliste zunächst nicht zugestimmt. Ich wurde aufmerksam gemacht, dass die zentrale Leitung der LDPD in Berlin der Einheitsliste zugestimmt hätte und ich doch wohl in Parteidisziplin zu handeln verstünde. Da habe ich mich an den Versammlungsteilnehmer gewendet, der immer mitschrieb, er solle ins Protokoll aufnehmen - da war er ganz erschrocken, er schriebe kein Protokoll (ja was und für wen schrieb er dann wohl?) - "Unter dem Drucke dieser Drohung, ausgesprochen von Herrn S., SED, füge ich mich dem Zwang der Einheitsliste!" Und ich habe erklärt, keiner meiner Parteifreunde wird auf dieser Liste kandidieren und ich selbst auch nicht!

    Bei einer Wahl war ich als Beisitzer tätig. Die Wahllokale schlossen 18 Uhr. Bis 20 Uhr war ausgezählt und wir waren wieder zu Hause. Gegen 21 Uhr wurden wir ins Rathaus gerufen. Unterwegs traf ich einen Parteifreund, der den RIAS gehört hatte. Und tatsächlich wurden wir dann aufgefordert, eine neue Zählung nach dem Motto vorzunehmen: Bei Stimmzetteln, die voll ausgekreuzt waren, ist dem Wähler das Temperament durchgegangen und er hat den kleinen Kreis nicht getroffen. Wenn gar kein Kreuz auf dem Stimmzettel waren, so hat das der Wähler nur vergessen. Und diese Stimmen sollten als gültig und als Zustimmung gewertet werden. Im Laufe der kurzen Diskussion babe ich dann gesagt: "Herr Bürgermeister, ich lege mein Amt nieder!" Mein Parteifreund hat das gleiche getan und wir sind gegangen. Später babe ich erfahren, dass auf Vorschlag der CDU festgestellt wurde, die erneute Auszählung aus technischen Gründen nicht

    vomehmen zu können. Angeblich soll der Bürgermeister am nächsten Tag in die Kreisstadt zitiert und von den Russen geschlagen worden sein. Ich weiß es nicht, ich war nicht dabei. Für den Bürgermeister täte mir es leid; denn er war ein angesehener Mann.

    Die SED hat sich bemüht, die Bevölkerung von der Richtigkeit ihrer Politik zu überzeugen und das nötige Verständnis dafür aufzubringen.

    Gleichzeitig war für sie jeder Bürger, der nicht der SED angehörte ein möglicher Feind der Republik. Und es gab viele Spitzel. Der von der SED Schulparteigruppe auf mich angesetzte war mir bekannt. Wer mein IM-Stasispitzel war, habe ich erst nach der Wiedervereinigung erfahren. Wegen dieses Misstrauens haben viele Bürger die DDR verlassen und sind in den Westen "abgehauen". Und letzten Endes ist der Zusammenbruch der DDR auch auf diese Misstrauen zurückzüfahren.

    Die DDR war ja ein Land der Transparente. Eines Tages musste ich mit meinen technischen Zeichnern die Buchstaben für den Text auf einem Transparent ausschneiden. Ich erzählte meinem mir damals noch nicht bekannten IM verärgert, dass ich dadurch 38 Minuten Unterrichtszeit verloren hätte. Und er fragte: "38 Minuten, wie hast Du das denn gemacht?" Zunächst habe ich die Buchstaben gezählt und ausgerechnet, wie viel auf jeden kommen. Dann babe ich die Buchstaben sortiert und alle "E", alle "N" usw. an ein und denselben Schüler gegeben, so wurden sie untereinander gleich. Als Schrifthöhe waren ungefähr 20 cm vorgegeben. Ein Blatt A4 ist 21 cm breit. So waren ja die Buchstaben auf zwei Seiten schon vorgeschnitten. Laut Norm ist die Schriftstärke ein Siebentel der Schrifthöhe. 21 cm : 7 = 3 cm. Gesamtbreite der Buchstaben 15 cm, nur "M" und "W" sind breiter.

    Wenn jetzt mein IM dieses Beispiel meldet, beweist er damit einerseits, wie nah er an mir dran ist, und wie ich das andererseits gemeistert habe, ist ja nicht schlecht. Denkste! Wenn die Stasi das erfährt, erschrickt sie! Um Gottes Willen: Was kann der Mann organisieren? Wie gefährlich ist er für uns? Und so verkehrt sich eine positive Leistung durch die Dialektik der Marxisten ins Gegenteil, und ich werde verdächtigt, ein Feind der Republik zu sein. Es ist einem normalen Menschen unerklärlich, wie niederträchtig und negativ manche Genossen in der DDR waren. Dieses System konnte nicht überleben.

    Besuch

    Am 02.07.1969 hatte sich ein Herr Müller von der Nationalen Front mittags in der Schule angemeldet, um mich zu sprechen. Ich hatte nicht gleich richtig geschaltet. Müller ist ja, wie man scherzhaft sagt, alter deutscher Adel d.h. es gibt viele Menschen mit diesem Namen, und "Nationale Front" war wie

    "die Firma" einer der Decknamen für die Stasi. Er bat mich, zu einem Gespräch mitzukommen. So fuhr ich zur Stasi ein, wie man das in diesen Kreisen nennt. Im Befehlston wurde ich aufgefordert: "Erzählen Sie!" ich antwortete: "Ich wüsste nicht, was?" "Alles!" Und dann machte man mir klar:

    Und so ging es weiter.
    Einer meiner Kollegen, er wohnte mit einer meiner Schülerinnen im gleichen Hause, hatte ausgesagt: "Die Schülerinnen schwärmten für Kollege Reiche!" Darauf der vernehmende Oberleutnant: "Na, Reiche, die Schülerinnen schwärmten für Sie? Da hatten Sie ja Chancen! Ist nichts nachgekommen, keine Schwangerschaft? Glück gehabt was, Glück gehabt!" Und dann ein grässliches Feixen. Ich dachte an das Sprichwort: Was ich denk und was ich tu, trau ich jedem andern zu. Dabei ist es so, wenn man sich in Mädchenklassen nicht ganz korrekt verhält, kann man dort bald vor die Hunde, sprich zu einem Nervenzusammenbruch, kommen. Zwei Beispiele dafür sind mir aus einer anderen Schule bekannt.

    Glücklicherweise kam ich in der U-Haft mit einem Geologen zusammen, der schon einmal gesessen hatte und mir die richtige Einstellung zu unserer Situation beibrachte. Wir bekamen jeden zweiten Tag einen elektrischen Rasierapparat in den "Verwahrraum" - eine "Zelle" gab es bei den Sozialisten nicht. - Fast jeden Tag gab es ein paar Minuten Freigang an der frischen Luft. Zweimal mussten wir den Raum sauber machen. Und wenn wir geweckt wurden, sagte der Geologe z.B.: "Was ist heute? Mittwoch - Bude sauber machen, rasieren, Freigang - den ganzen Tag kriegt man keine Ruhe!"

    Mit dieser Einstellung kommt man ganz gut zurecht. Und ich habe mir gesagt: Du lässt dich von diesen Kerlen nicht kaputt machen! So habe ich im Kopf die Quadratzahlen bis 100 und die Kubikzahlen bis 20 errechnet. Wir bekamen auch pro Woche ein Buch zu lesen, da haben wir die Seitenzahl durch sieben geteilt und wussten wie viel Seiten wir pro Tag lesen sollten. Es gab oft Literatur gegen

    die Nazis und da waren Passagen drin, die auch genau auf die Sozis passten. Und die waren in den Büchern mit dem restlichen Ruß eines Streichholzes oder mit einem Fingernageidruck unterstrichen worden. Und in der Bibliothek saß einer von der Wachmannschaft, der alle Bücher überprüfte und diese Stellen zum Schutz mit Tesafilm überklebte. Man brauchte die Seiten nur abrollen zu lassen, und wo es glänzte, war eine interessante Stelle.

    Dass ich innerhalb der Sowjetische Besatzungszone und der DDR manchmal den Mund aufgemacht habe, ist schon erwähnt. Und dass ich die SED nicht ins Herz geschlossen hatte, pfiffen die Spatzen von den Dächern. Und so habe ich gemerkt, dass ich bis zum Halse im Schlamassel - um es nicht noch deutlicher auszudrücken - steckte und nicht wusste, wie ich da wieder herauskommen sollte.

    Und noch so eine dialektische Verdrehung, dazu hatte ich oben etwas über Eigenlob stinkt gesagt: Sowohl die Stasi als auch der Staatsanwalt haben mir eingehämmert: "Wer beruflich und gesellschaftlich so überaus fleißig tätig ist wie ich, der muss dahinter etwas zu verbergen haben!" Was das sein soll, weiß ich nicht. Es ist entmutigend, wenn man für seine fleißige Arbeit derartig in den Dreck gezogen wird.

    Und es bewahrheitet sich das Sprichwort: "Undank ist der Welt Lohn!" Die Finsternis dieses Systems ist unvorstellbar. Und als ich einmal äußerte, ich hätte Angst vor der Zeit, wo ich wieder auf "freiem" Fuße bin, wurde ich getröstet: "Sie haben Freunde - in uns!" Noch zynischer geht es nicht! Die Leute, die alle Hebel in Bewegung setzen, um mich hinter Gitter zu bringen, nennen sich meine Freunde!

    Anlässlich eines geselligen Beisammenseins hatte ich ein Lied vorgetragen, in dem der Kehrreim lautete:
    "Die Pfannen, die Tiegel, die Töpfe,
    was alles zum Haushalt gehört,
    und auch der Inhalt der Köpfe
    der wird standardisiert."

    Was ich damit sagen wollte, wurde ich gefragt und habe geantwortet: "Zum Standard wird das erhoben, was die beste Lösung ist. Und wenn diese beste Lösung in den Köpfen ist, so ist das doch in Ordnung!" Leider habe ich nur selten diese Schlagfertigkeit gehabt. Manchmal

    habe ich mich gefragt, ob mich unser Herrgott mit soviel Blödheit gesegnet hat, dass ich nicht mit ein paar flotten Redenarten manchen Vorwurf abschmettern kann. Aber Gottes Mühlen mahlen langsam. Und langfristig gesehen war es gut so.

    Ein anderes Mal hatte ich eine Büttenrede gehalten:

    "Wie, das ist die große Frage, unterhält man heutzutage,
    erziehet und belehrt zudem mit Erfolg und recht bequem
    Menschen, die nach Bildung dürsten, wie Lehrer nach Salami-Würsten?
    Um diese Menschen zu erfrischen, erfand Herr Braun das Television.
    Doch es kamen nach ihm Leute, die verantwortlich sind heute
    für die vielen kleinen Zeilen, die flugs übern Bildschirm eilen
    und die auch gerade stehen für das, was wir gar nicht sehen,
    doch uns in die Ohren steigt und dort einen Reiz erzeugt.
    So werden montags wir gelockt von einem, der im Sessel hockt,
    an den Kanal an Farbe schwarz zum Minnesange Eduards.
    Es dient die Schnitzlersche Bemühung der patriotischen Erziehung.
    Auch gilt es damit zu ergänzen den Stoff von Lehrerkonferenzen.
    Wenn du das überstanden hast, erscheint aus Westdeutschland ein Gast.
    Du siehst ihn auf die Bühne kommen, die Kamera wird weggenommen, und zeigt dir jetzt ein Mikrofon.
    So verbleibt dir nur der Ton,
    und du kannst lediglich erheischen ein unartikuliertes Kreischen
    vom Gast und von dem Publikum, und du fragst dich nur: Warum?
    Er ist doch keiner von den Besten!
    Ach so - der kommt ja aus dem Westen und hat dafür zu jederzeit für uns den Wert der Seltenheit.
    Dass du ihn nur hören und nicht sehen kannst, hat seinen Grund;
    denn sein Gewackel mit den Waden könnt dem Sozialismus schaden.
    Du siehst nur auf dem letzten Bild, wie das Haar ihm aus dem Nacken quillt."

    Mehr habe ich nicht in Erinnerung, die Stasi hat es ja eingezogen.
    Am Ende hieß es über die Fernsehgebühr:

    "Sieben Mark bezahlst du nur - und fünf Pfennig für Kultur.
    Dies Preisverhältnis scheint mir richtig. Kultur ist wohl auch nicht so wichtig."

    Diese Büttenrede war für das Bezirksgericht in Karl-Marx-Stadt, so hieß damals Chemnitz, ein klarer Fall von staatsfeindlicher Hetze. Sachsen war ja sowieso das Idiotendreieck. Der Bezirk Karl-Marx-Stadt (praktisch Westsachen) war der Arsch der Republik und die Stadt Karl-Marx-Stadt das Loch. Die waren besonders sozialistisch behämmert. Das stellte auch das Berufungsgericht in Berlin fest. Dessen Urteil habe ich einmal lesen können. Es waren 14 Seiten, davon zwei Seiten mit Angaben zur Person und auf 12 Seiten wurde das Urteil das Bezirksgerichtes nach Strich und Faden verrissen. Selbstverständlich wurde die Büttenrede, wie die meisten anderen "Belastungspunkte", die das Bezirksgericht herbeigesucht hatte, als haltlos abgewiesen. In einer zweiten Verhandlung mussten sich dann derselbe Staatsanwalt und derselbe Oberrichter mir gegenüber korrigieren. Eine delikate Angelegenheit. Das Urteil wurde von anfangs drei ein halb Jahren auf zwei ein Viertel herabgesetzt. Und mein junger Verteidiger sagte: "Jetzt gehen wir nicht noch einmal in Berufung!" Obgleich noch mehr drin gewesen wäre, aber er wollte sich selbständig machen und musste dann weiterhin mit diesem Gericht zusammenarbeiten. Dafür hatte ich Verständnis.

    Zum Strafvollzug kam ich nach Cottbus. Innerhalb des Geländes gab es einen Metallbearbeitungsbetrieb, er lieferte einem Dresdner Betrieb zu, der Kameras herstellte. Anfangs arbeitete ich meinem Lehrberufe entsprechend als Maschinenschlosser in der Werkstatt. Später war ich verantwortlich für den Maschinenpark der Bohrerei und der Dreherei. Und als "pflichtbewusster" Arbeiter, habe ich es für nötig gehalten, bei allen Maschinen einen Ölwechsel vorzunehmen, schließlich liefen die Maschinen ja schon jahrelang ohne besondere Pflege. Natürlich ging es mir nicht um den Ölwechsel. Ich wollte wissen, was für Getriebe in den Gehäusen stecken. Da waren sehr interessante Konstruktionen dabei und ich habe viel gelernt. Man muss ja alle Situationen in seinem Leben nutzen, um zu lernen.

    Eines morgens, als wir zur Arbeit abgeholt wurden, musste ich zurückbleiben. Ein erfahrener Knastologe rief mir noch zu: "Grüß mir den Westen!" Ich war vollkommen geschockt; denn eine Ausreise hatte ich aus persönlichen Gründen

    nicht beantragt.

    Bei der Ausreise war der Anwalt der DDR Dr. Vogel dabei. Ich habe mit ihm gesprochen und gesagt, dass ich mir vorkäme wie abgeschoben. Da sagte er mir: "Nein, Herr Reiche, es liegt Antrag für Ihre Ausreise vor. Und glauben Sie mir, es ist besser so, glauben Sie mir, es ist besser so für Sie!" In meinem Falle war es wohl so, dass jemand aus dem Westen, der erfahren hatte, dass ich nicht mehr zu Hause bin, versucht hat, über die Kirche etwas von mir zu erfahren. Diese Anfrage ist bei dem zuständigen Rechtsanwalt in Westberlin gelandet und als Antrag auf Entlassung in die Bundesrepublik aufgefasst worden. Dort landeten viele schwer zu behandelnde Fälle. Später habe ich dann festgestellt: Bis 1969 habe ich in der DDR gewohnt und seit 1971 lebe ich in der Bundesrepublik. Man merkt den feinen Unterschied in der Wortwahl.

    Über die Form der Ausreise wurden wir gebeten, Stillschweigen zu bewahren. Das wurde auch von jeder Ausreisegruppe über Jahre eingehalten. Heute kann man sagen, wie das ablief. Das Auslieferungslager war bei der Stasi in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt). Wir fuhren in einem Bus auf der Autobahn Richtung Eisenach. Kurz vor dem Ziel, vermutlich in der 5 km - Sperrzone, bogen wir auf einer nicht offiziellen Abzweigung ab in einen stillgelegten Steinbruch. Wenige Zeit später kam ein Westbus und wir sind umgestiegen. Wir wurden aufgefordert, wenn wir über die Grenzstation fahren, nicht in lautes Freudengeschrei auszubrechen, sondern möglichst unauffällig diese Stelle zu passieren.

    Später habe ich mich mit Verwandten und Bekannten in der BRD über diese Art der Ausreise unterhalten. Ich habe sie gefragt, ob sie bei ihrer Pressefreiheit, freiem Rundfunk und Fernsehen gewusst haben, dass es diese Art der Ausreise gibt? Und habe immer sinngemäß die Antwort bekommen: "Nein, das muss ganz neu sein!" Und dann haben sie ein langes Gesicht gezogen, als ich ihnen gesagt habe, dass es diese Form der Ausreise seit 1963, also seit acht Jahren gibt! Und die schlauen Bundesbürger hatten keine Ahnung. Hier drängt sich mir der Vergleich mit dem Naziregime auf, bei dessen Pressezensur die Bevölkerung auch kaum etwas über KL wusste. Aber das will auch keiner glauben!

    Lohn

    Soweit ich in der Bundesrepublik den Arbeitskampf verfolgt habe, hat es immer geheißen: Lohnerhöhung! besonders für die unteren Lohngruppen! Lohnerhöhung! besonders für die unteren Lohngruppen! Damit hat man die Löhne der Hilfsarbeiter derartig hochgejubelt, dass es sich für manchen nicht mehr gelohnt hat, drei Jahre für die Ausbildung zum Facharbeiter zu "verschwenden". Der Facharbeitermangel, den wir heute haben, ist doch wohl selbstgemacht.

    Eine Gießerei, die vorwiegend Auspuffkrümmer für einen großen Autohersteller produziert, wurde von diesem bedrängt, billiger zu liefern. Der Autohersteller zahlte seinen ungelernten Mitarbeitem wesentlich höhere Löhne, als der Zulieferer seinen Leuten zahlen konnte. Da hat der Firmenchef den Autohersteller

    aufmerksam gemacht, wenn seine Leute zum Autohersteller wechseln, bekommt er keine Auspuffkrümmer mehr! Es gibt also in der kapitalistischen Profitgier manche Rangelei. Aber davon bekommt der kleine Bürger nichts mit.

    Als die SPD an der Macht war, hat sie das Arbeitslosengeld erhöht. Ein Argument war, wenn jemand, der ein Haus gebaut hat, arbeitslos wird, muss er ja seine Schulden noch tilgen können. Natürlich hatte das auch andere Auswirkungen. Mir ist ein junger Werkzeugmacher bekannt, der ungefähr 1500.- DM verdiente. Als Arbeitsloser bekam er ungefähr 1200.- DM. Und für die 300.- DM soll er sich vier Wochen lang abrammeln? Da ist er doch lieber arbeitslos! Die Fürsorge des Staates muss auch ihre Grenzen haben.

    Israel

    Wir hatten uns vorgenommen, einmal nach Israel zu reisen. Wer dahin fliegt, bekommt am Ende eine Wallfahrtsurkunde. Ich war kein Wallfahrer, sondern ich wollte sehen, was die Israelis mit dem Geld gemacht haben, das sie von uns bekommen haben. Um es gleich vorwegzunehmen, ich wurde nicht enttäuscht.

    Das wichtigste, was die Israelis brauchen, ist Wasser, und entsprechend sparsam gehen sie damit um. Von dem Wasser, mit dem wir ein Feld beregnen, brauchen die Israelis 15%. Sie haben Schläuche verlegt, die im Pflanzabstand kleine Löcher haben, und teilen jedem Gewächs die Menge Wasser zu, die benötigt wird. Mitten in der Waste Negev haben sie den einen oder andem Kibbuz angelegt. Ich habe gefragt, woher sie denn wissen, dass da Wasser ist? Sie haben auf die Tamarisken geachtet, die bis zu 30 m tiefe Wurzeln haben, und da haben ihre Soldaten gebohrt. Häufig sind die nach ihrem Wehrdienst gleich dort auf dem neu entstandenen Kibbuz geblieben. Auf meine Nachfrage hörte ich, dass sie vermuten, das Wasser reicht dreißig Jahre. Wenn man aber bedenkt, dass die Pflanzen Schatten spenden, dass ein Teil des Wassers vielleicht wieder zurücksickert, kann man hoffen, dass es länger reicht.

    In der Nähe von Avdat, auch in der Negev, haben wir von einer Anhöhe aus eine Obstplantage im Aufbau gesehen. Das Regenwasser dafür wurde in extra angelegten Becken gesammelt. Man hat errechnet, von oben betrachtet, braucht man für 1 m2 Obstbaum 8 m2 Regeneinzugsgebiet, man konnte also genau planen. Allerdings geht es manchmal noch viel einfacher. Als wir von den Golanhöhen herunter gefahren sind, machte uns die Reiseleiterin auf einen etwa 4 m hohen Wald links der Straße aufmerksam. Sie sagte dazu, alles, was wir hier getan haben, ist, dass wir den Beduinen untersagt haben, auf dieser Seite der Straße ihr Vieh zu weiden. Sie können

    es oben auf der Höhe, rechts der Straße und unten im Tal weiden. Und sicher haben sie dieses Verbot durch ihre Soldaten, die ja überall präsent sind, überwachen lassen. Das Ergebnis war beachtlich! Im Nationalpark Rosch Pina, ein Stück nördlich vom See Genezareth gelegen, wurde ein Wald angelegt. Da haben auch wir eine Baum gepflanzt. Genauer gesagt, Hilde hat ihn gepflanzt, und ich habe das uns vorgegebene Gebet gesprochen. Auf diesem langgestreckten Hang eines Berges, wurden schon seit einiger Zeit von Besuchern Zedern gepflanzt, das konnte man über Kilometer an der Höhe der Bäume sehen. Und es wurde uns dazu gesagt, als der Wald eine gewisse Größe hatte, ist der Zweitregen wiedergekommen, der aus der Geschichte bekannt war.

    Man kann also über den Umgang mit der Natur sehr viel von den Israelis lernen! Selbstverständlich nehmen die Israelis viel Ausgrabungen vor. Sie wollen ja der Welt beweisen, wie lange sie schon dort gelebt haben und dass es das ihnen verheißene Land ist, auf das sie ein Anrecht haben. Dabei gehen sie mit der Landnahme für eigene Siedlungen, diplomatisch formuliert, manchmal recht entschlossen vor.

    Gegen Ende unserer Reise kamen wir mit einer Gruppe Schweizerinnen ins Gespräch. Wir wurde gefragt, wie unser Reiseleiter sei? Ich antwortete: "In der Geschichte des Landes Israel sehr beschlagen!" Die Antwort: "Wie unserer!" Es ist verständlich, wenn sich die Israelis darum bemühen, dass jeder "Wallfahrer", wenn er von Israel abreist, davon überzeugt ist, dass alles, aber auch alles, was die Israelis tun, richtig ist! Aber da habe ich meine Zweifel.

    Heute ist es ja leider so, dass Israelis und Araber nur ihre Gegensätze heraus stellen, statt ihre Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu rücken und sich von da aus zum Vorteil beider einander anzunähern.

    Wiedervereinigung

    Für mich ist die Wiedervereinigung ein Musterbeispiel dafür, wie die Bürger von den Politikern falsch oder überhaupt nicht informiert werden.

    Es war allen bekannt, dass weder die Amerikaner, noch die Franzosen, geschweige denn die Engländer die Wiedervereinigung Deutschlands wollten. Sie meinten, wenn zu der Wirtschaftskraft der Bundesrepublik noch die Wirtschaftskraft der DDR hinzukommt, entsteht in Mitteleuropa eine Wirtschaftsmacht, vor der sie schlicht und einfach Angst hatten. So stellten sie, um zustimmen zu können, Bedingungen. Zum einen, die gesamte DDR-Wirtschaft ist zu zerschlagen, zum anderen, die DM ist abzuschaffen.

    Herrhausen wollte einen anderen Weg gehen, er fiel einem Anschlag zu Opfer. Anfangs wollte man dafür die RAF verantwortlich machen, aber nach einiger Zeit stellte man die Nachforschungen ein.

    Rohwedder wollte ähnliches. Er wurde ebenfalls ermordet. Und bei ihm hieß es ziemlich bald, so wie die Tat ausgeführt wurde, waren da Profis am Werk. Es wurde nicht ernsthaft nachgeforscht.

    Dann kam

    Birgit Breuel, und die machte, was die Alliierten wollten. Jetzt ist die deutsche Wirtschaft wunschgemäß zurecht gestutzt.
    Ich babe schon oben angeführt, wie das die DDR-Bürger erlebt haben. Die DM haben wir inzwischen auch nicht mehr. Eine bestimmte Summe M (Ost) wurde den DDR Bürgern 1:1 umgetauscht. Und dann wurde wider bessere Beratung, nur weil sich einn Politiker profilieren wollte, sofort alles weitere Geld im Verhältnis 2 : 1 umgetauscht, statt über Jahre hinweg mit anderen Wechselkursen die Bundesrepublik zu entlasten. Kein Wunder, dass mit dieser "Deutschland ist ein reiches Land" - Politik der Bundesbankpräsident nicht zufrieden sein konnte und bald zurücktrat.

    Vor ein paar Jahren hörte ich in einer Fernsehsendung, zwei Manner seien für die deutsche Wiedervereinigung verantwortlich: Der Pabst und Kohl! Das grenzt für mich schon an Geschichtsfälschung und es ist eine Ohrfeige für die Leipziger Bürger, die unter Einsatz ihres Lebens mit ihrer "Wir sind das Volk" - Demonstration das SED - Regime gestürzt haben.

    Terrorismus

    Man kann den Terrorismus nicht bekämpfen; denn aus Kampf entsteht nur neuer Kampf. Aber man kann den Terrorismus vermeiden, und da muss jeder bei sich selbst anfangen. Wenn ich von einem Schnäppchenangebot höre, kommen mir sofort Zweifel und ich frage mich, wenn dieser Artikel zu dem Preis angeboten wird, wer in der Produktionskette wohl über das Ohr gehauen oder schamlos ausgebeutet wird? Und eines Tages steht der Ausgebeutete auf, und wir haben einen neuen Terroristen. Mit anderen Worten, wir müssen unsere Einstellung ändern und anderen Menschen auf dieser Erde für ihre Arbeit einen angemessenen Lohn zahlen! Wie kommen die

    Araber, die Tausende von Kilometern entfernt von Amerika wohnen und zusätzlich noch durch ein Weltmeer von einander getrennt leben, dazu, einen derartigen Hass auf die Amerikaner zu entwickeln, wie es manche demonstrieren?

    Notwendig wäre, dass auch die Amerikaner über ihr Handeln nachdenken. Aber wer sagt das einer überheblichen Weltmacht, die es für selbstverständlich ansieht, dass sie rücksichtslos über alle Schätze dieser Welt verfügen kann? Es gibt viele Völker auf unserem Planeten und die wollen alle leben.

    Für mich ist Amerika kein Vorbild sondem abschreckendes Beispiel!

    Unsere Erde

    Vor ungefähr 60 Jahren hörte ich das erste Mal: Ein Westeuropa, Nordamerika oder Japan kann sich die Welt nicht leisten! Heute sind wir soweit, dass sich die Welt das leisten möchte. Etwa zur gleichen Zeit sprach ich damals mit einem Studenten der Forstakademie Tharandt, der dort Ökologie studierte. Zu meiner Bemerkung, ich fände es gut, dass man sich jetzt schon darauf vorbereitet, dass uns bei unserem Rohstoffverbrauch später einmal nichts ans Bein läuft, bemerkte er: "Wenn es nicht schon zu spät ist!" Und was haben wir bisher getan? So gut wie nichts! Für mich ist die Lösung ein philosophisches Problem.

    Wir müssen erkennen, dass der materielle Konsum und das

    Reisen in das letzte Loch dieser Welt nicht der Sinn unseres Daseins ist. Wir sollten stattdessen die enormen Fähigkeiten nutzen, die wir mit unserem Hirn haben. Wir können Musik hören, selbst musizieren, lesen, schreiben, dichten, malen oder anderen Menschen helfen und darin unsere Befriedigung und einen höheren Sinn unsers Lebens finden. Wir müssen erkennen, dass durch unseren Verzicht auf übermäßigen materiellen Verbrauch der Lebensstandard anderer, armer Menschen unseres Planeten gehoben werden kann. Nur dem materiellen Konsum zu frönen, ist eines Menschen nicht würdig, man muss auch im Alter seinem Leben einen Sinn geben und jeden Tag etwas Nützliches tun.

    Rentner

    Für diese Zeit hatte ich mir, wie eben erwähnt, vorgenommen, jeden Tag etwas Nützliches ob nun für mich oder für andere zu schaffen. Und ich bekam bald einen "Großauftrag"; denn ich wurde angeregt, mich um die Lokomotiven zu kümmern, die in meiner Heimatstadt von der ehemaligen Sächsischen Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann AG Chemnitz hergestellt worden sind. Dafür habe ich zehn Jahre lang nachgeforscht, und wir haben viel Interessantes dadurch erlebt. Am Ende stand das Buch "Richard Hartmann und seine Lokomotiven". Es war beim Oberbaum Verlag in Berlin erschienen, der anfangs eine Zweigstelle in Chemnitz hatte. Ich habe davon noch ein paar Exemplare.
    Als Nächstes habe ich die Broschüre "Sind die Lehrer schuld?" geschrieben. Dazu hatte ich einen Ausdruck des Manuskriptes an Frau Annette Schavan, damals Bildungsministerin in Baden-Württemberg, gesandt. Sie hat es nicht nur gelesen, sie hat mich auch bestärkt, einen Verlag zu finden, der es druckt. Selbst wenn ich nur versucht habe, auf Grund meiner jahrelangen Erfahrungen, meinen Kollegen ein paar

    Ratschläge zu geben, musste ich feststellen, wenn man einem unfehlbaren Lehrer beistehen will, stößt man an eine Chinesische Mauer überheblicher Selbstsicherheit.

    Jetzt habe ich gerade ein Manuskript abgeschlossen über den ersten Maschinenmeister der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen, Johann Heinrich Ehrhardt. Ein hochinteressanter Mann, der in seinen Niederschriften ein ausgezeichnetes Bild der Arbeitsverhältnisse am Anfang des Industriezeitalters gibt.

    Ich habe diese Aufzählung nicht gemacht, um damit anzugeben, was für ein toller Hecht ich bin. Es geht mir darum, den Rentnern und Pensionären Mut zu machen, im Alter aktiv zu sein, solange es die Gesundheit zulässt. Man sollte seine Erfahrungen nicht einfach wegwerfen!

    Was ich hier in "Ich habe es erlebt" niederschreibe, ist in erster Linie für meine Verwandten und Freunde gedacht. Wenn sich ein Verlag findet, der den Mut hat, es zu drucken, hätte ich nichts dagegen. Aber alle Rentner und Pensionäre möchte ich anregen, aktiv zu bleiben, solange es geht.

    Echo

    Ein deutsches Sprichwort sagt: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück! An mehreren Stellen habe ich erwähnt, wie die Deutschen die Welt

    belogen haben. Ich überlasse es jedem selbst zu entscheiden, ob das Echo, das aus der Welt zurückkommt, wohl die Wahrheit sein kann?

    Schlussbemerkung

    Es war mir em Bedürfnis, einmal die Vergangenheit aus der Sicht des kleinen Mannes zu schildern, der nicht um seine Stellung bangen muss, wenn er versucht, die Wahrheit, oder was er dafür hält, auszusprechen und den Deutschen wieder Mut zu machen, dass sie nicht so schlecht waren oder sind, wie sie oft hingestellt und angeprangert werden. Natürlich

    ist das meine subjektive Sicht der Begebenheiten. Ob ich die Zusammenhänge unter den gegebenen Voraussetzung richtig gesehen habe, bleibt offen. Ich habe mich darum bemüht.

    Und wenn ich mich selbst betrachte, bin ich mit meinem Leben, das ich führen konnte, zufrieden. Das möchte ich auch weiterhin bleiben.

    Günther Reiche, Leonberg - Eltingen 2008


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